FG München 19.9.2016, 7 K 1118/16

Schachtelstrafe nach § 8b Abs. 7 KStG 1999 für Dividenden aus Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften verstößt gegen Kapitalverkehrsfreiheit

Durch die EuGH-Urteile Itelcar und Kronos ist nunmehr geklärt, dass eine nationale Regelung, die eine Mindestbeteiligungsschwelle von 10% voraussetzt, am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen ist. Bei Anwendung dieser Rechtsprechung ist die Auffassung des BFH, wonach § 8b Abs. 7 KStG 1999 wegen der 10%-igen Mindestbeteiligungsquote am Maßstab der Niederlassungsfreiheit zu prüfen sei, überholt.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GmbH mit dem Geschäftsgegenstand Vermögensverwaltung. Sie gehört zum Konzern der X-AG. Im Wirtschaftsjahr 2000/2001 waren ihr Dividenden der Y-Indien i.H.v. rund 975.255 € zugeflossen. Nach einer Betriebsprüfung für die Jahre 1998 bis 2001 erließ das Finanzamt im Mai 2006 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid. Die Beteiligungseinkünfte der indischen Tochtergesellschaft, an der die Klägerin mit 25,17% beteiligt war, blieben gem. § 8b Abs. 1 S. 1 KStG 1999 i.V.m. Art. 23 Abs. 1a DBA-Indien 1995 steuerfrei (sog. Schachtelprivileg). Lediglich 5% der Bruttodividende und somit rund 48.762 € wurden dem Einkommen der Klägerin gem. § 8b Abs. 7 KStG als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben hinzugerechnet (sog. Schachtelstrafe). Die festgesetzte Körperschaftsteuer betrug 0 €, ein verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2001 wurde festgestellt.

Die Klägerin wandte sich gegen den pauschalen Ansatz von fiktiven nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben i.H.v. 5% der Dividenden, die sie von der ausländischen Tochtergesellschaft bezogen hatte. Der Einspruch ruhte zunächst im Hinblick auf das beim BFH anhängige Verfahren Az.: I R 78/04. Nach Abschluss dieses Verfahrens sowie des Verfahrens Az.: I R 7/12 wies das Finanzamt den Einspruch als unbegründet zurück, da § 8b Abs. 7 KStG 1999 bei einer Drittstaatenbeteiligung anwendbar bleibe. Die Klägerin war hingegen der Ansicht, § 8b Abs. 7 KStG 1999 dürfe wegen Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nicht angewendet werden. Spätestens mit den EuGH-Entscheidungen Itelcar (Urt. v. 3.10.2013, C-282/12) und Kronos (Urt. v. 11.9.2014, C-47/12) sei - auch für den BFH - verbindlich festgestellt, dass eine Vorschrift, die (nur) eine 10%-ige Beteiligung voraussetze, anhand der Kapitalverkehrsfreiheit zu prüfen sei.

Das FG gab der Klage statt. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Revision zugelassen, da der BFH bislang keine Gelegenheit hatte, selbst rechtliche Folgerungen aus der EuGH-Rechtsprechung in Sachen Itelcar und Kronos zu ziehen.

Die Gründe:
Der auf der Grundlage des § 8b Abs. 7 KStG 1999 erfolgte fiktive Ansatz nichtabzugsfähiger Betriebsausgaben i.H.v. 5% der Beteiligungserträge aus einem Drittstaat war rechtswidrig. Der gem. § 8b Abs. 7 KStG 1999 vorgenommene Ansatz von 5% der Dividendeneinnahmen als nichtabziehbare fiktive Betriebsausgaben verstieß gegen primäres Gemeinschaftsrecht.

Der Verstoß von § 8b Abs. 7 KStG 1999 gegen die Niederlassungsfreiheit ist höchstrichterlich geklärt. Aus der neueren EuGH-Rechtsprechung folgt die Nichtanwendbarkeit des § 8b Abs. 7 KStG 1999 in Drittstaatenfällen wegen eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 AEUV. Zwar entschied der BFH mit Urteil vom 29.8.2012 (Az.: I R 7/12; bestätigt mit Urteil vom 6.3.2013, Az.: I R 10/11), dass sich die Unanwendbarkeit des § 8b Abs. 7 KStG 1999 nicht auf Drittstaatensachverhalte erstrecke, weil die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV, der eine Wirkung erga omnes zukommt, von der vorrangig anzuwendenden Niederlassungsfreiheit verdrängt werde. Nach gefestigter EuGH-Rechtsprechung ist für die Abgrenzung aber auf den Gegenstand der betreffenden Regelung (abstrakter Normgegenstand) abzustellen.

Eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeit zu bestimmen (Kontrollbeteiligung bzw. Direktinvestition), fällt in den Anwendungsbereich des Art. 49 AEUV über die Niederlassungsfreiheit. Dagegen sind nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll (Streubesitzbeteiligung bzw. Portfoliobeteiligungen) ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen.

Durch die EuGH-Urteile Itelcar und Kronos ist nunmehr geklärt, dass eine nationale Regelung, die eine Mindestbeteiligungsschwelle von 10% voraussetzt, am Maßstab der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen ist. Denn eine derartige in einer nationalen Regelung enthaltene Schwelle bewirke nicht, dass die Vorschrift ausschließlich für Situationen gelte, in denen die Muttergesellschaft entscheidenden Einfluss auf die Gesellschaft ausübt, die die Dividenden ausschüttet. Eine Beteiligung derartigen Umfangs bedeute nicht zwangsläufig, dass der Inhaber dieser Beteiligung einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft, bei der er Anteilseigner ist, ausüben könne. Bei Anwendung dieser Rechtsprechung ist die Auffassung des BFH, wonach § 8b Abs. 7 KStG 1999 wegen der 10%-igen Mindestbeteiligungsquote am Maßstab der Niederlassungsfreiheit zu prüfen sei, überholt. Diese Quote ist für eine Beherrschungssituation nicht ausreichend. Andere Voraussetzungen enthält § 8b Abs. 7 KStG 1999 nicht.

Linkhinweis:

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.11.2016 15:01
Quelle: Bayern.Recht

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