BFH 20.10.2016, VIII R 10/13

Besteuerung der Barabfindung bei einem Aktientausch nach Einführung der Abgeltungsteuer

Erhält ein Aktionär einen Barausgleich anlässlich eines Aktientausches für vor dem 1.1.2009 erworbene ausländische Aktien, die wegen Ablaufs der einjährigen Veräußerungsfrist bereits steuerentstrickt waren, ist die Zahlung nicht in eine einkommensteuerpflichtige Dividende umzuqualifzieren. Eine Besteuerung würde dazu führen, dass der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise auf bereits steuerentstrickte Aktien zugreift.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Jahr 2006 insgesamt 750 Aktien einer US-amerikanischen Firma erworben. Im Jahr 2009 erfolgte aufgrund der Übernahme der Gesellschaft ein Aktientausch. Zusätzlich wurde der Klägerin aufgrund des Minderwerts der beim Tausch erhaltenen Aktien eine Barabfindung i.H.v. umgerechnet rund 16.548 € gezahlt und von der depotführenden Bank der Kapitalertragsteuer unterworfen. Die Klägerin stellte in ihrer Einkommensteuererklärung für 2009 den Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4 EStG und auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG. Sie war der Ansicht, dass die im Zusammenhang mit dem Aktientausch erhaltene Zuzahlung nicht der Abgeltungsteuer unterliege.

Das Finanzamt folgte dem Antrag nicht und legte die Barabfindung nach § 20 Abs. 4a S. 2 EStG als Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung zugrunde. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision der Steuerbehörde vor dem BFH blieb erfolglos.

Die Gründe:
Das FG war im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der bei dem Aktientausch gezahlte Barausgleich nicht gem. § 20 Abs. 4a S. 2 EStG als Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung nach § 32d Abs. 1 EStG zugrunde zu legen ist.

Wird bei einem Aktientausch zusätzlich ein Barausgleich gezahlt, unterliegt dieser nach § 20 Abs. 4a S. 2 EStG der Einkommensteuer. Die Vorschrift wurde mit der Abgeltungsteuer eingeführt und ist erstmals auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge anzuwenden. Die Vorschrift setzt voraus, dass es sich bei dem Barausgleich um eine steuerbare Gegenleistung handelt. Dies war hier aber nicht der Fall. Da die Klägerin die eingetauschten Aktien vor der Einführung der Abgeltungsteuer erworben und länger als ein Jahr gehalten hatte, unterlag der Tausch der Aktien, der einem Veräußerungsgeschäft gleich steht, nicht der Besteuerung (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG a.F. i.V.m. § 52a Abs. 11 S. 4 EStG).

Eine Besteuerung würde dazu führen, dass der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise auf bereits steuerentstrickte Aktien zugreift. Nach BVerfG-Rechtsprechung zur Unzulässigkeit von rückwirkenden Gesetzen verstößt eine Besteuerung gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und ist nichtig, soweit sie auf Vermögensgegenstände zugreift, die nach der zuvor geltenden Rechtslage bereits steuerentstrickt waren und bis zum Zeitpunkt der Verkündung der neuen gesetzlichen Regelung steuerfrei realisiert worden sind oder steuerfrei hätten realisiert werden können (BVerfG-Beschl. v. 7.7.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05). Hinreichend gewichtige Gründe, die geeignet wären, die nachträgliche einkommensteuerrechtliche Belastung der bereits steuerentstrickten Aktien durch die Besteuerung des Barausgleichs zu rechtfertigen, sind nicht erkennbar.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.01.2017 12:04
Quelle: BFH PM Nr. 3 vom 18.1.2017

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