BGH 22.11.2017, XI ZB 9/13

KapMuG: Kein Prospektfehler beim zweiten Börsengang der Deutschen Telekom AG

Der Prospektfehler, den der XI. Zivilsenat in dem anlässlich des "dritten Börsengangs" der Deutschen Telekom AG im Jahr 2000 herausgegebenen Verkaufsprospekt festgestellt hatte, betraf einen zeitlich nachfolgenden Geschäftsvorfall, der im Prospekt zum "zweiten Börsengang" noch keine Rolle spielte. Damit steht bindend fest, dass aus den betreffend den Prospekt des "zweiten Börsengangs" gerügten Unvollständigkeiten und Unrichtigkeiten keine Prospekthaftungsansprüche gem. §§ 45 ff. BörsG a.F. i.V.m. § 13 VerkProspG a.F. und keine deliktischen Schadensersatzansprüche hergeleitet werden können.

Der Sachverhalt:
Gegenstand des - im Zusammenhang mit den massenhaft erhobenen Klagen von Aktionären der Deutschen Telekom AG - neu geschaffenen Kapitalanleger-Musterverfahrens können nur verallgemeinerungsfähige Vorfragen zu den einzelnen Aktionärsklagen sein. Im Mittelpunkt des Verfahrens steht dabei die (Un-)Richtigkeit des anlässlich des sog. "zweiten Börsengangs" der Deutschen Telekom AG herausgegebenen Verkaufs- und Börsenzulassungsprospekts. Auf Grundlage dieses Prospekts waren im Jahr 1999 u.a. 250 Mio. neue Stückaktien aus einer im Juni 1999 erfolgten Kapitalerhöhung zum Börsenhandel zugelassen und von der Deutschen Telekom AG öffentlich zum Verkauf angeboten worden.

Außerdem diente der Prospekt dazu, über 1,7 Mrd. Aktien aus dem Bestand der Bundesrepublik Deutschland und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zum Börsenhandel zuzulassen. Nachdem der Kurs der Aktien stark gefallen war, kam es ab dem Jahr 2001 zu zahlreichen Klagen gegen die Deutsche Telekom AG, die Bundesrepublik Deutschland, die KfW und einen Teil der Konsortialbanken.

Im Musterverfahren vor dem OLG Frankfurt a.M. hatten der Musterkläger und die auf seiner Seite Beigeladenen eine Vielzahl von Prospektfehlern geltend gemacht. Die Musterbeklagten - die Deutsche Telekom AG, die Bundesrepublik Deutschland, die KfW und eine in den Ausgangsverfahren verklagte Konsortialbank – stellten hingegen das Vorliegen eines Prospektfehlers in Abrede und beriefen sich auf Verjährung. Das OLG hat über die ihm durch mehrfach berichtigten und ergänzten Vorlagebeschluss des LG vorgelegten Fragen sowie über die mit Erweiterungsbeschluss des OLG einbezogenen Feststellungsziele durch Musterentscheid vom 3.7.2013 entschieden und einen Prospektfehler verneint.

Feststellungen hat das OLG lediglich zu Teilaspekten, wie zur Prospektverantwortlichkeit der Deutschen Telekom AG, zu Verjährungsfragen, zur Darlegungs- und Beweislast und zum Adressatenkreis des Prospekts getroffen. Im Übrigen hat es die beantragten Feststellungen nicht getroffen. Die gegen den Musterentscheid eingelegte Rechtsbeschwerde der 36 Beigeladenen blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Das OLG hatte die gerügten Prospektfehler zu Recht verneint. Insbesondere berichtet der Prospekt zutreffend und vollständig über das Immobilienvermögen der Deutschen Telekom AG mit mehr als 12.000 Grundstücken und etwa 33.000 baulichen Anlagen.

Aufgrund einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung war die Vorinstanz rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Wert des Immobilienvermögens im Prospekt nicht wesentlich zu hoch angegeben worden war. Denn der Prospektfehler, den der XI. Zivilsenat in dem anlässlich des "dritten Börsengangs" der Deutschen Telekom AG im Jahr 2000 herausgegebenen Verkaufsprospekt festgestellt hatte (Beschl. v. 21.10.2014, Az.: XI ZB 12/12), betraf einen zeitlich nachfolgenden Geschäftsvorfall, der im hier verfahrensgegenständlichen Prospekt zum "zweiten Börsengang" noch keine Rolle spielte.

Damit steht für alle Ausgangsverfahren bindend fest, dass aus den betreffend den Prospekt des "zweiten Börsengangs" gerügten Unvollständigkeiten und Unrichtigkeiten keine Prospekthaftungsansprüche gem. §§ 45 ff. BörsG a.F. i.V.m. § 13 VerkProspG a.F. und keine deliktischen Schadensersatzansprüche hergeleitet werden können. Auf weitere Fragen zur Darlegungs- und Beweislast, zur Verjährung, zum Adressatenkreis des Prospekts und zur Aktivlegitimation, kam es in den Ausgangsverfahren nicht mehr entscheidungserheblich an. Infolgedessen wurden die dazu getroffenen Feststellungen auf die Rechtsbeschwerden der Beigeladenen und die Anschlussrechtsbeschwerde der Deutschen Telekom AG aufgehoben und der Vorlagebeschluss insoweit für gegenstandslos erklärt.

Linkhinweise:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.02.2017 16:02
Quelle: BGH PM Nr. 14 vom 1.2.2017

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