Aktuell in der AG

Ungelöste Fragen des Auslagenersatzes für Aufsichtsratsmitglieder in Zeiten schwindender Vergütungsakzeptanz (Gaul, AG 2017, 877)

Hohe Managergehälter stoßen nicht nur - wie die Hauptversammlungssaison 2017 belegt - unter Aktionären, sondern auch in Öffentlichkeit und Politik auf immer mehr Widerstand. Zunehmend richtet sich die Kritik auch gegen die Aufsichtsratsvergütung, was dazu führte, dass die DAX-Konzerne vom System der variablen Vergütungsbestandteile abgerückt sind. Wenig Beachtung fanden im Rahmen der aktuellen Debatte hingegen die Auslagen, die den Aufsichtratsmitgliedern über die Vergütung hinaus zu erstatten sind. Angesichts der schwindenden Akzeptanz hoher Managergehälter besteht Anlass, die Praxis des Auslagenersatzes, die bis heute ungelöste Fragen aufwirft, kritisch zu überprüfen. Dabei wird auch untersucht, ob dem Aufsichtsrat ein eigenes Budget für den Auslagenersatz eingeräumt werden sollte.

  1. Einführung
  2. Voraussetzungen des Auslagenersatzes
    1. Anspruchsgrundlage
    2. Entscheidungszuständigkeit
    3. Aufsichtsratsbudget für die Auslagenerstattung?
  3. Umfang des Auslagenersatzes
    1. Erstattungsfähige Positionen
      1. Kosten im Zusammenhang mit der Sitzungsteilnahme
      2. Allgemeine Büro- und Personalkosten
      3. Sonderfall: Aufsichtsratsbüro unter Leitung des Vorsitzenden
      4. Aus- und Fortbildungskosten
    2. Abgrenzung zu sonstigen Vergütungsbestandteilen
      1. Sitzungsgelder
      2. Nebenleistungen
      3. D&O-Versicherung
  4. Fazit

I. Einführung
Die Vorstandsvergütung ist schon seit Jahren ein Reizthema.  Nie zuvor gab es zu diesem Tagesordnungspunkt allerdings so viele Neinstimmen wie in der Hauptversammlungssaison 2017.  Allein in den Reihen der DAX-Konzerne wurde die für die zur Abstimmung gestellten Vorstandsvergütungssysteme erforderliche einfache Mehrheit in drei Fällen, namentlich beim Chemie- und Pharmakonzern Merck, beim Rückversicherer Munich Re und bei der Senderkette ProSiebenSat1 deutlich verfehlt.  Als unmittelbare Reaktion kündigte der neue Vorsitzende der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex Nonnenmacher an, man werde sich mit den zu komplex gewordenen Vergütungssystemen befassen.  Dass sich demgegenüber die von der SPD-Bundestagsfraktion im Wahlkampf vorgelegten Vorschläge zur weiteren Beschränkung der Vorstandsvergütung  durch den Ausgang der Wahl am 24.9.2017 erledigt haben, ist zu begrüßen.  Denn ob die weit verbreiteten Vorbehalte gegenüber der Vorstandsvergütung durch Gesetzesverschärfungen ausgeräumt werden können, erscheint schon im Ansatz fraglich. Entscheidend dürften vielmehr Maßnahmen sein, die gewährleisten, dass der für die Vorstandsvergütung zuständige Aufsichtsrat seiner Verantwortung gerecht wird.  Anpassungsbedarf besteht für den Gesetzgeber daher lediglich mit Blick auf die Vorgaben in der geänderten europäischen Aktionärsrechte-Richtlinie (ARRL)  für eine stärkere Mitsprache der Hauptversammlung bei der Vergütungspolitik (vgl. Art. 9a und 9b ARRL),  die bis zum 10.6.2019 in deutsches Recht umzusetzen sind.

Auf Kritik stoßen unter dem Vergütungsaspekt zunehmend aber auch die Aufsichtsratsmitglieder selbst, die – so ein zentraler Vorwurf – ihre Tätigkeit als "Kontrollieren und Kassieren" verstehen.  Als Beleg für den wachsenden Widerstand kann auf die Hauptversammlung der Daimler AG am 29.3.2017 verwiesen werden, wo der Vorschlag des Aufsichtsrats, die Vergütung seiner Mitglieder um 20 % anzuheben, von den anwesenden Aktionären mit Buhrufen quittiert wurde.  Zwar darf dabei nicht übersehen werden, dass sich in der Hauptversammlungssaison 2017 der Trend einer Umstellung auf eine reine Fixvergütung der Aufsichtsratsmitglieder fortsetzte. So nahm als Reaktion auf die öffentliche Kritik an den Bonuszahlungen mit der Volkswagen AG einer der letzten DAX-Konzerne Abstand vom System der variablen Aufsichtsratsvergütung.  Die Einschätzung, wonach die Aufsichtsratsvergütung wegen dieser Entwicklung im Jahre 2017 kaum noch Anlass zur Kritik gibt,  dürfte allerdings zu kurz greifen. Zum einen geht die Abschaffung der variablen Vergütungsbestandteile vielfach ...

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.12.2017 15:52
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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