Aktuell in der AG

Anregungen zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie für Geschäfte börsennotierter Unternehmen mit Organmitgliedern oder ihnen nahestehenden Parteien - Überlegungen im Lichte des Delaware Corporation Law (Pälicke, AG 2018, 514)

Die Frage nach der Publizität oder Autorisierung von Geschäften einer Corporation mit einem oder mehreren ihrer Directors oder Officers wird im Recht einer Delaware Corporation schon seit über 60 Jahren durch Gesetzesnormen bestimmt. Das deutsche Aktiengesetz verfügt bislang noch nicht über eine das Offenlegungs- wie Zustimmungsverfahren zu Geschäften einer Gesellschaft mit Mitgliedern des Vorstands oder Aufsichtsrats regelnde Vorschrift. Mit dem Entwurf einer solchen ist der deutsche (Reform-)Gesetzgeber allerdings gegenwärtig befasst, weil er für Zwecke der Umsetzung der modifizierten Aktionärsrechterichtlinie dafür zu sorgen hat, dass den darin befindlichen Vorgaben und Empfehlungen zur Corporate Governance auch in Bezug auf Geschäfte einer börsennotierten Gesellschaft mit nahestehenden Personen oder Unternehmen entsprochen wird. Der Beitrag zeigt auf, dass es sich als lohnenswert erweist, bei der Gestaltung der neuen Normen einen Blick auf das Delaware Corporation Law zu wagen, sofern das hiesige Aktiengesetz hinter den Richtlinienvorgaben oder -Empfehlungen zurückbleiben sollte.

I. Einleitung

II. Hintergrund für eine Regulierung von RPT

III. Anregungen zur Umsetzung der Vorgaben in Art. 9c ARRL in Bezug auf Geschäfte mit den Organmitgliedern oder ihnen nahestehenden Parteien  börsennotierter Gesellschaften

1. Vorgabe zur Bestimmung des Terminus „wesentliche RPT“ nach Art. 9c Abs. 1 ARRL

a) Rechtslage nach dem deutschen Aktiengesetz und Corporate Governance Kodex

b) Anregungen zur Umsetzung von Art 9c Abs. 1 ARRL durch das Delaware Corporation Law

2. Vorgabe zur Regelung einer Veröffentlichungspflicht für RPT nach Art. 9c Abs. 2 ARRL

a) Rechtslage nach dem deutschen Aktiengesetz und Corporate Governance Kodex

b) Anregungen zur Umsetzung von Art. 9c Abs. 2 ARRL durch das Delaware Corporation Law

3. Empfehlung zur Regelung einer Fairnessberichterstattung nach Art. 9c Abs. 3 ARRL

a) Rechtslage nach dem deutschen Aktiengesetz und Corporate Governance Kodex

b) Anregungen zur Umsetzung von Art 9c Abs. 3 ARRL durch das Delaware Corporation Law

4. Vorgabe zur Regelung eines Zustimmungsvorbehalts nach Art. 9c Abs. 4 Satz 1, 2 ARRL

a) Rechtslage nach dem deutschen Aktiengesetz und Corporate Governance Kodex

b) Anregungen zur Umsetzung von Art 9c Abs. 3 ARRL durch das Delaware Corporation Law

5. Vorgabe zur Regelung eines Stimm-/Teilnahmeverbots nach Art. 9c Abs. 4 Satz 3 ARRL

a) Rechtslage nach dem deutschen Aktiengesetz und Corporate Governance Kodex

b) Anregungen zur Umsetzung von Art 9c Abs. 4 ARRL durch das Delaware Corporation Law

6. Vorgabe zur Regelung von Maßnahmen und Sanktionen bei Verstößen gegen die ARRL

a) Rechtslage nach dem deutschen Aktiengesetz und Corporate Governance Kodex

b) Anregungen zur Umsetzung von Art. 14b ARRL durch das Delaware Corporation Law

IV. Fazit


I. Einleitung
Bis zum 10.6.2019 bleibt dem deutschen Gesetzgeber noch Zeit, die am 20.5.2017 im Amtsblatt der EU publizierte Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG zum Zwecke der Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre (Aktionärsrechterichtlinie EU 2017/828 – „ARRL“) in nationales Recht umzuwandeln. Einer der insgesamt 4 Themenbereiche betrifft die Regulierung wesentlicher Geschäfte von börsennotierten Unternehmen mit den ihnen nahestehenden Parteien, wozu insbesondere Organmitglieder oder Großaktionäre zählen (related party transactions, RPT). Den ersten Schritt zur Umsetzung der ARRL ging der deutsche Gesetzgeber schon am 18.9.2017, indem er die „Expertenkommission des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie“ einberief und um Erstellung von Vorschlägen ersuchte. Für die Ausarbeitung eines geeigneten Regelungskonzepts zu RPT dürfte ein Blick auf das hierzu in Delaware für (börsennotierte) Corporations geltende Gesetzes- und Richterrecht förderlich sein, weil es aufgrund seiner seit über 60 Jahren währenden Rechtsfortbildung Aufschluss darüber gibt, in welchem Umfang eine Regulierung von RPT im Interesse des Unternehmens sinnvoll erscheint. Die folgende Abhandlung soll daher der Frage nachgehen, inwieweit es sich anbietet, am Recht einer Delaware Corporation Anleihen zu nehmen für Zwecke einer Umsetzung der ARRL in Bezug auf Geschäfte einer Aktiengesellschaft mit Organmitgliedern oder ihnen nahestehenden Personen.

II. Hintergrund für eine Regulierung von RPT
Anlass für eine Regulierung von RPT bildet die Sorge, dass diese darauf ausgerichtet sein könnten, Unternehmenswerte zu Lasten der (Minderheits-)Eigner einer Aktiengesellschaft zu verschieben. Bei Geschäften mit Organmitgliedern oder ihnen AG 2018, 515nahestehenden Personen gründet diese Sorge auf der sich aus dem Interessen- oder Pflichtenkonflikt von Organmitgliedern ergebenden Vermutung für eine (treue-)pflichtwidrige Gestaltung der Geschäftsinhalte zum Nachteil ihrer Gesellschaft. Einem Interessenkonflikt unterliegen Organmitglieder, wenn sie mit der Gesellschaft kontrahieren oder aber zu deren Gegenpartei eine enge persönliche oder wirtschaftliche Beziehung unterhalten; in einen Pflichtenkonflikt begeben sie sich, wenn sie auch die Gegenpartei leiten oder kontrollieren. Allen drei Fällen gemein ist das rechtliche oder faktische Handeln auf beiden Seiten des Geschäfts, wodurch die Obliegenheit des Organmitglieds zur Loyalität gegenüber den Gesellschaftsinteressen mit dessen Eigeninteresse oder Treuebindung der Gegenpartei gegenüber in einen Konflikt gerät. Mit Blick auf die menschliche Natur legt dieser Interessen-/Pflichtenkonflikt bei Organmitgliedern zumindest die Möglichkeit nahe, dass das Geschäft allein zum eigenen oder zum Vorteil der einem Organmitglied nahestehenden Person und folglich wider dessen Treuepflicht verhandelt worden ist. Dogmatische Grundlage der organschaftlichen Treuepflicht bildet die Rechtsnatur der Beziehung der Organmitglieder zur Gesellschaft, weil die Leitungs- und Kontrollorgane damit betraut werden, ein für sie fremdes Geschäft in Form der Verwaltung eines Unternehmens bzw. Überwachung der Geschäftsleiter allein im Interesse des Unternehmens zu besorgen (sog. fiduziarische Beziehung). Ausbuchstabiert worden ist diese Grundpflichtenbindung bislang nur in Vorschriften des DCGK, außer Zweifel steht jedoch deren Anerkennung, zumal auch Gesetzesnormen darauf hindeuten.

III. Anregungen zur Umsetzung der Vorgaben in Art. 9c ARRL in Bezug auf Geschäfte mit den Organmitgliedern oder ihnen nahestehenden Parteien börsennotierter Gesellschaften
Der vorskizzierten Gefahr eines treuwidrigen Handelns von Organmitgliedern versucht die ARRL durch eine Umsetzung der in Art. 9c ARRL normierten Vorgaben und Empfehlungen zu begegnen. Hierbei handelt es sich um eines der Ergebnisse aus dem informellen Trilog vom 07./9.12.2016 über den dem Europäischen Rat am 9.4.2014 durch die Kommission übermittelten Vorschlag. Die den Bereich Geschäfte mit Organmitgliedern und ihnen nahestehenden Personen betreffenden Vorgaben und Empfehlungen in Art. 9c ARRL sollen ...

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.08.2018 12:20
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite