Aktuell in der AG

Die Online-Hauptversammlung in Deutschland und Europa - Ausgewählte Themen zwischen Briefwahl, virtueller Abstimmungsmöglichkeit und echter Innovation (von Holten/Bauerfeind, AG 2018, 729)

Die Einräumung der Möglichkeit einer Online-Hauptversammlung nach § 118 Abs. 1 Satz 2 AktG war zwar keine digitale Revolution, jedoch ein elementarer Schritt Richtung Zukunft. Trotzdem hat sich eine „echte“ Online-Hauptversammlung, in welcher ein Online-Teilnehmer dieselben Rechte hat wie ein Präsenzteilnehmer, bislang nicht durchgesetzt. Neben ausgewählten Rechtsproblemen, die mitunter für den allzu konservativen Umgang mit den verfügbaren digitalen Möglichkeiten verantwortlich sind, widmet sich der Beitrag auch dem Blick in die europäischen Nachbarländer und deren Umgang mit virtuellen Aktionärstreffen.

I. Einleitung

II. Abgrenzung zwischen den unterschiedlichen  Verfahren: Online-Hauptversammlung, Briefwahl,  Vertretung

1. Online-Teilnahme

2. „Briefwahl“ mit und ohne Teilnahme an der  Versammlung

3. Vertretung

III. Verbreitung und Nutzung der Online-Verfahren

1. Deutschland

2. Niederlande

3. Frankreich

4. Italien

5. Luxemburg

6. Vereinigtes Königreich

7. Österreich

IV. Online-Teilnahme und Abstimmungsmöglichkeit

1. Abstimmung und Rechtsverstöße im Rahmen der Online-Teilnahme

2. Einfallstor für kritische Aktionäre?

V. Fazit


I. Einleitung

Mit der Umsetzung von Art. 8 der Aktionärsrechterichtlinie schaffte der Gesetzgeber 2009 durch die Ermöglichung der aktiven Teilnahme an der Versammlung auf elektronischem Wege ein grundsätzlich wirksames Mittel, um auf die weltweite Streuung der Aktien deutscher Gesellschaften und die zugenommene Internationalisierung der Aktionärsstruktur zu reagieren und schließlich die Mitwirkungsmöglichkeit der Aktionäre am Entscheidungsprozess der Hauptversammlung zu verbessern. Neben der Bevollmächtigung Dritter – auch von der Gesellschaft benannter Stimmrechtsvertreter (sog. Proxy Voting) – und der Möglichkeit der Briefwahl ist nunmehr auch die Online-Teilnahme bzw. -Abstimmung eine Möglichkeit für Aktionäre, ihre Hauptversammlungsrechte auch bei persönlicher Abwesenheit vom Ort der Hauptversammlung auszuüben. Insgesamt hat der Gesetzgeber seit der Jahrtausendwende in zahlreichen Verfahren das Aktienrecht, aber vor allem auch die Hauptversammlung auf die digitale Zukunft vorbereitet.

Nach § 118 Abs. 1 Halbs. 1 AktG üben die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung aus. Nach Satz 2 kann die Satzung vorsehen oder den Vorstand dazu ermächtigen vorzusehen, dass die Aktionäre an der Hauptversammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort und ohne einen Bevollmächtigten teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können. Gemäß Abs. 2 kann die Satzung vorsehen oder den Vorstand dazu ermächtigen vorzusehen, dass Aktionäre ihre Stimmen, auch ohne an der Versammlung teilzunehmen, schriftlich oder im Wege elektronischer Kommunikation abgeben dürfen (Briefwahl).

Dem Gesetzgeber ging es dabei nicht lediglich darum, die nicht präsenten Aktionäre nur passiv über das Internet zuschauen zu lassen, sondern die Onlinezuschaltung als echte aktienrechtliche Teilnahme auszugestalten und die Ausübung von Aktionärsrechten – vor allem des Stimmrechts – in Echtzeit zu ermöglichen. Insbesondere sollen Stimmrechte direkt als einseitige (empfangsbedürftige) Willenserklärungen gegenüber der Gesellschaft abgegeben werden können und nicht nur über den Umweg eines Bevollmächtigten nach § 134 Abs. 3 Satz 1 AktG.

Die Einführung der virtuellen Hauptversammlung, also der Versammlung, die in keinem physischen Raum mehr stattfindet und deren Versammlungsort der Cyberspace ist, sieht das Gesetz dabei nicht vor. Eine Präsenz-Hauptversammlung ist zunächst immer noch als die Basis bzw. als der gesetzliche Regelfall gedacht, an der Aktionäre online zugeschaltet teilnehmen (sog. „hybride Versammlung“). Theoretisch können aber auch alle Aktionäre online (freiwillig) zugeschaltet sein, so dass ...

 

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.10.2018 11:30
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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