Aktuell in der AG

Der Vorschlag für eine europäische Whistleblower-Richtlinie - Bessere Rechtsdurchsetzung durch besseren Hinweisgeberschutz (Schmolke, AG 2018, 769)

Die Europäische Kommission hat im April dieses Jahres auf Drängen des Europäischen Parlaments einen Vorschlag für eine Richtlinie zum Schutz von Hinweisgebern vorgelegt. Der Entwurf befindet sich gegenwärtig in der parlamentarischen Beratung. Es zeichnet sich bereits ab, dass das Parlament beim Hinweisgeberschutz noch deutlich über den Kommissionsvorschlag hinausgehen will. Dies geht freilich zu Lasten der von der Meldung betroffenen Personen, deren Interessen schon im Kommissionsvorschlag eher stiefmütterlich behandelt werden. Der Beitrag stellt den Kommissionsvorschlag vor und beleuchtet ausgewählte und besonders problematische Aspekte der beabsichtigten Regelung vor dem Hintergrund der aktuellen parlamentarischen Debatte.

I. Thema

II. Whistleblowing als Regelungsproblem

III. Der Weg zum Richtlinienvorschlag (und darüber hinaus)

IV. Der Kommissionsvorschlag im Überblick

1. Regelungsziele

2. Rechtliche Grundlage, Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit

3. Inhaltsübersicht

a) Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (Art. 1–3)

b) Interne Meldungen und Folgemaßnahmen  (Art. 4 und 5)

c) Externe Meldungen und Folgemaßnahmen  (Art. 6–12)

d) Schutz von Hinweisgebern und betroffenen  Personen (Art. 13–18)

e) Schlussbestimmungen (Art. 19–23)

V. Zu ausgewählten Einzelaspekten des Richtlinienvorschlags im Lichte der parlamentarischen Debatte

1. Rechtsgrundlage, Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit – Zur Kritik des Bundesrates

2. Anwendungsbereich

a) Gegenständlicher Anwendungsbereich

aa) Meldegegenstand: Rechtsverstöße oder bloßes Fehlverhalten?

bb) Verhältnis zu sektoralen Whistleblowerregeln

b) Personaler Anwendungsbereich

3. Vorrang des internen Whistleblowing

a) Grundsatz der dreistufigen Meldeeskalation

b) Kleinere juristische Personen ohne Pflicht zur  Einrichtung interner Meldekanäle

4. Behandlung anonymer Hinweise

5. Zur Relevanz der Motive des Hinweisgebers für  seinen Schutz

6. Nachweis des Vergeltungscharakters bei Benachteiligung des Whistleblowers

7. Schutz der von der Meldung betroffenen Personen

VI. Abschließende Bewertung
 

I. Thema
Das Thema Whistleblowing hat sich zu einem veritablen „Dauerbrenner“ in der unternehmensrechtlichen Diskussion entwickelt. Dabei wird die Debatte immer wieder durch prominente Fälle befeuert, in denen Hinweisgeber unternehmensinterne Missstände ans Licht der Öffentlichkeit bringen. Zu nennen sind hier aus der jüngeren Vergangenheit etwa die Dieselgate-Affäre, aber auch der Lux-Leaks-Skandal um Vereinbarungen der Luxemburger Steuerbehörde mit international tätigen Unternehmen oder die durch die Veröffentlichung der sog. Panama Papers aufgedeckten Rechtsverstöße. Im Gefolge solcher Aufsehen erregenden Fälle wird regelmäßig der Ruf nach dem Gesetzgeber laut, der für einen (besseren) Schutz solcher Whistleblower vor Vergeltungsmaßnahmen des betroffenen Unternehmens oder der Branche sorgen müsse. So verhielt es sich zu Beginn des Jahrzehnts auch in Deutschland, wo seinerzeit der vom EGMR entschiedene Fall Heinisch hohe Wellen schlug. Die SPD-Bundestagsfraktion brachte daraufhin postwendend den Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes in den Bundestag ein, der aber ebenso scheiterte wie zahlreiche weitere Gesetzesinitiativen aus den Reihen der Opposition. Deutschland zeigt sich damit in Sachen Hinweisgeberschutz im internationalen Vergleich sehr zurückhaltend. Indes hat das Unionsrecht, namentlich das EU-Finanzmarktrecht, in den letzten Jahren Schneisen für den Whistleblowerschutz in das deutsche Recht geschlagen. Jenseits dieser und einiger anderer Spezialregelungen für bestimmte Rechtsbereiche fehlt es in Deutschland jedoch weiterhin an einer allgemeinen und verbindlichen Regelung zum Schutz von Hinweisgebern. Diese Lücke wird zunehmend als echtes Defizit empfunden. Befürworter einer umfassenderen Regelung für den Schutz von Hinweisgebern in Deutschland erhalten nunmehr Rückendeckung aus Brüssel. Die EU-Justizkommissarin Jourová bemängelte erst kürzlich den unzureichenden Schutz von Whistleblowern vor Vergeltungsmaßnahmen. Andere Stimmen verweisen darauf, dass sich Deutschland nicht zuletzt wegen seiner Zurückhaltung beim gesetzlichen Schutz von Hinweisgebern nur noch auf Platz 12 des internationalen Korruptionswahrnehmungsindex befinde. Die Bundesregierung hat indes für die aktuell anstehende Umsetzung der EU-Geheimnisschutzrichtlinie klar gemacht, dass sie die Richtlinienumsetzung nicht zum Anlass nehmen will, ein allgemeines und umfassendes gesetzliches Regime zum Schutz von Hinweisgebern in Deutschland einzuführen.

Während der deutsche Gesetzgeber hinsichtlich einer allgemeinen Whistleblowerregelung also bremst, hat die Europäische Kommission auf Drängen des Europäischen Parlaments die Initiative ergriffen und am 23.4.2018 ein Maßnahmenpaket bestehend aus einem Vorschlag für eine Richtlinie zur Stärkung des EU-weiten Schutzes von Hinweisgebern sowie einer ergänzenden Mitteilung zur Stärkung des Schutzes von Hinweisgebern auf EU-Ebene vorgelegt. Die Kommission betont hierin die Bedeutung des Whistleblowing für eine effektive Durchsetzung europäischen Rechts und ihren Willen, die EU-weite Fragmentierung des Hinweisgeberschutzes zugunsten europäischer Mindeststandards zur Gewährleistung eines wirksamen Hinweisgeberschutzes zu beenden. Der vorliegende Beitrag unternimmt es, den Kommissionsvorschlag vorzustellen und im Lichte der aktuellen Beratungen im Europäischen Parlament einer näheren Analyse zu unterziehen.

II. Whistleblowing als Regelungsproblem
Dem Hinweisgeber kommt eine wichtige Rolle bei der Rechtsdurchsetzung zu. Denn Rechtsverstöße geschehen häufig im Verborgenen. So ist illegales Verhalten in Unternehmen häufig auf eine Abteilung oder wenige Personen beschränkt. Die Compliance-Einheit des Unternehmens kann aber nur einschreiten, wenn sie ...

 

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.11.2018 16:14
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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