BGH v. 15.11.2018 - IX ZR 39/18

Zur Einordnung der Darlehensforderung eines Unternehmens als Gesellschafterdarlehen

Die Darlehensforderung eines Unternehmens kann einem Gesellschafterdarlehen auch dann gleichzustellen sein, wenn ein an der darlehensnehmenden Gesellschaft lediglich mittelbar beteiligter Gesellschafter an der darlehensgewährenden Gesellschaft maßgeblich beteiligt ist.

Der Sachverhalt:

Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Antrag vom 17.7.2012 am 21.3.2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B-GmbH & Co. KG (Schuldnerin). Mehrheitskommanditistin der Schuldnerin ist die BK-AG. Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Schuldnerin und Vorstand der BK-AG ist G.S. Dieser ist ferner mit 50 vom Hundert der Geschäftsanteile Gesellschafter der A-GmbH, welche 10 vom Hundert der Aktien der BK-AG hält. Die Beklagte ist ebenfalls in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG tätig. Alleiniger Kommanditist ist G.S., Komplementärin die G-GmbH. Alleinige Gesellschafterin dieser GmbH ist die BK-AG, Geschäftsführer ist G.S.

Die Beklagte gewährte der Schuldnerin am 1.2.2010 ein bis zum 31.12.2011 befristetes Darlehen über 36.000 €. Die Schuldnerin zahlte der Beklagten am 20.9.2011 einen Teilbetrag von 20.000 € zurück. Die vom Insolvenzverwalter unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erhobene Klage richtet sich auf Rückgewähr des Betrags von 20.000 € nebst Zinsen.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:

Der Kläger kann von der Beklagten gem. § 135 Abs. 1 Nr. 2, § 143 Abs. 1 InsO die Rückgewähr der am 20.9.2011 geleisteten Zahlung i.H.v. 20.000 € verlangen. Das von der Beklagten der Schuldnerin gewährte Darlehen entsprach wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen, weil es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen handelte, das einem Gesellschafter der Schuldnerin - horizontal - verbunden war.

Im Anfechtungszeitraum des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO stand das Darlehen der Beklagten schon deshalb einem Gesellschafterdarlehen gleich, weil G.S. Mehrheitsgesellschafter der darlehensgewährenden Beklagten und mittelbarer Gesellschafter der darlehensnehmenden Schuldnerin war. Finanzierungshilfen Dritter werden erfasst, wenn der Dritte bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter gleichsteht. Die Verbindung kann so ausgestaltet sein, dass ein Gesellschafter an beiden Gesellschaften, der Darlehen nehmenden und der Darlehen gebenden Gesellschaft, und zwar an der letztgenannten "maßgeblich" beteiligt ist. Eine maßgebliche Beteiligung in diesem Sinn ist gegeben, wenn der Gesellschafter auf die Entscheidungen des hilfeleistenden Unternehmens, nämlich auf die Gewährung oder auf den Abzug der Leistung an das andere Unternehmen, einen bestimmenden Einfluss ausüben, insbesondere dem Geschäftsführungsorgan der Hilfe gewährenden Gesellschaft durch Gesellschafterbeschlüsse entsprechende Weisungen erteilen kann. Diese Voraussetzung ist hier gegeben. S. konnte als Mehrheitsgesellschafter der Beklagten nach eigenem Ermessen über den Abzug des Darlehens befinden.

Zudem war G.S. mittelbar an der darlehensnehmenden Schuldnerin beteiligt. Er verfügte über die Hälfte der Geschäftsanteile an der A-GmbH, die ihrerseits 10 vom Hundert der Aktien der BK-AG, der Mehrheitskommanditistin der Schuldnerin, hielt. Aufgrund der hier anzustellenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist es ohne Bedeutung, dass G.S. nicht unmittelbar an der Schuldnerin beteiligt war. Die Bestimmungen über die Behandlung von Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren über das Vermögen der darlehensnehmenden Gesellschaft setzen, weil deren Gesellschafter keine Finanzierungsentscheidung zu treffen haben, abgesehen von dem Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO keine Mindestbeteiligung voraus. Entsprechendes hat auch im Falle einer mittelbaren Beteiligung an der darlehensnehmenden Gesellschaft zu gelten.

Der Gesellschafter kann sich seiner Verantwortung nicht entziehen, indem er eine oder mehrere Gesellschaften zwischenschaltet. Es widerspräche Sinn und Zweck der vom Gesetz angeordneten Gleichstellung bestimmter Forderungen mit den Gesellschafterdarlehen, einen etwa unmittelbar mit 15 vom Hundert beteiligten Gesellschafter schlechter als einen mittelbar in gleicher Höhe oder gar stärker beteiligten Gesellschafter zu stellen. Der mittelbar beteiligte Gesellschafter bleibt verantwortlich, solange die Mediatisierung nicht bewirkt, dass zu seinen Gunsten das Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO eingreift. Letzteres ist hier nicht der Fall. Zwar entsprach die mittelbare Beteiligung des G.S. an der Schuldnerin wirtschaftlich einem Anteil von weniger als 4 v.H. Gleichwohl ist das Kleinbeteiligtenprivileg nicht anwendbar, weil G.S. als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH auch die Geschäfte der Schuldnerin führte.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.01.2019 11:42
Quelle: BGH online

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