Aktuell in der AG

Der Verschmelzungs , Spaltungs- und Formwechselbericht nach der neuen Umwandlungsrichtlinie (Schollmeyer, AG 2019, 541)

Die Umwandlungsrichtlinie bildet einen Teil des Company Law Package. Sie stellt den nationalen Umsetzungsgesetzgeber in der nunmehr zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat vereinbarten Fassung vor eine Reihe von Rätseln: So sind Inhalt und Struktur der Umwandlungsberichte für grenzüberschreitende Umwandlungen nicht eindeutig geregelt. Auch erlaubt es die Richtlinie den Mitgliedstaaten, die Unternehmensleitungen von Gesellschaften mit nur einem Gesellschafter auch von der Pflicht zur Vorlage eines Berichts für die Arbeitnehmer auszunehmen. Die Genese der Regelungen über die Umwandlungsberichte und einige Perspektiven für die Richtlinienumsetzung werden in diesem Beitrag erläutert.

I. Einleitung

II. Die Vorschriften über die Umwandlungsberichte im Kommissionsvorschlag, in den von Rat und Parlament beschlossenen Fassungen und dem im Trilog gefundenen Kompromisstext

1. Die aktuelle Rechtslage

2. Der Kommissionsvorschlag

3. Die Ratsfassung

4. Das Parlamentsvotum und die Trilogverhandlungen

III. Die Richtlinienbestimmungen über den Formwechsel-, Verschmelzungs- und Spaltungsbericht im Einzelnen (Art. 86e, 124, 160g)

1. Ein Bericht mit zwei oder drei Teilen?

2. Inhalt des allgemeinen Teils

3. Inhalt des Abschnitts für Gesellschafter

4. Inhalt des Abschnitts für Arbeitnehmer

5. Zulässiger Verzicht der Gesellschafter auf den separaten Bericht nach Art. 86e Abs. 8?

6. Arbeitnehmer ohne Verzichtsmöglichkeit

7. Stellungnahme der Arbeitnehmerseite, aber kein Anhörungsrecht

8. Fehler im Bericht als Anfechtungsgrund?

IV. Ausdrückliche Mitgliedstaatenoption: Ausnahme von der gesamten Berichtspflicht für Gesellschaften mit nur einem Gesellschafter

1. Grund und Reichweite der Mitgliedstaatenoption

2. Zuschnitt der Nutzung der Mitgliedstaatenoption und Änderungen bei innerstaatlichen Verschmelzungen und Spaltungen

3. Zulässigkeit eingeschränkter Nutzung der Mitgliedstaatenoption

V. Fazit
 

I. Einleitung
Noch kurz vor dem Ende der Legislaturperiode haben sich das Europäische Parlament, der Rat und die Europäische Kommission im Trilog auf die neue Richtlinie zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (Umwandlungsrichtlinie) geeinigt. Die Richtlinie schafft erstmals eine sekundärrechtliche Rechtsgrundlage für die Verfahren für grenzüberschreitende Formwechsel und Spaltungen zur Neugründung und enthält Modifikationen der bestehenden Bestimmungen für grenzüberschreitende Verschmelzungen. Daneben enthält die Richtlinie materiell-rechtliche Vorschriften, die den Schutz von Minderheitsgesellschaftern, Gläubigern und Arbeitnehmern bezwecken. Insbesondere der Schutz der Arbeitnehmer stand bei den Beratungen des Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission (Kommissionsvorschlag) im Mittelpunkt des politischen Interesses. Umso erstaunlicher ist es, dass als Ergebnis der Trilog-Verhandlungen der im Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vorgesehene Anspruch der Arbeitnehmer auf einen Umwandlungsbericht in seinen inhaltlichen Anforderungen unbestimmt und in bestimmten Fällen zur Disposition der Mitgliedstaaten gestellt ist.

II. Die Vorschriften über die Umwandlungsberichte im Kommissionsvorschlag, in den von Rat und Parlament beschlossenen Fassungen und dem im Trilog gefundenen Kompromisstext

1. Die aktuelle Rechtslage

Art. 124 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie hat die Pflicht des Leitungsorgans zur Vorlage des Verschmelzungsberichts zum Gegenstand. In seiner geltenden Fassung ist eine Ausnahmemöglichkeit für die Mitgliedstaaten ebenso wenig vorgesehen, wie eine Verzichtsmöglichkeit für die Gesellschafter. Der heutige Art. 124 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie wurde durch die Richtlinie über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten eingeführt. Im deutschen Recht ist er in § 122e UmwG umgesetzt worden. § 122e Satz 3 UmwG legt fest, dass § 8 Abs. 3 UmwG, nach dem die Gesellschafter auf den Bericht verzichten können, bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen keine Anwendung findet. In der Begründung des damaligen Gesetzentwurfs wurde darauf verwiesen, dass die Richtlinie eine Verzichtsmöglichkeit nicht vorsieht. Ob daraus tatsächlich darauf zu schließen ist, dass der Umsetzungsgesetzgeber einen – unter bestimmten Voraussetzungen möglichen – Verzicht auf den Bericht nicht hätte zulassen dürfen, ist im Schrifttum umstritten. Die geltende Richtlinie schließt einen Verzicht nicht ausdrücklich aus. Anknüpfungspunkt dieser Diskussion ist in erster Linie der Umstand, dass der Bericht auch Informationen für Arbeitnehmer enthält[9]. Dieser Informationszweck stehe einem Verzicht durch die Gesellschafter entgegen. Teilweise wird aber auch – in teleologischer Reduktion des Ausschlusses von § 8 Abs. 3 UmwG – angenommen, dass ein Verzicht möglich ist, wenn eine Gesellschaft arbeitnehmerlos ist oder die Arbeitnehmer dem Verzicht zustimmen.

2. Der Kommissionsvorschlag
Die Regelung des aktuellen Art. 124 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie führt im Hinblick auf die Verzichtbarkeit des Berichts zu Unklarheiten beim Schutz des Informationsinteresses der Arbeitnehmer einerseits und lässt andererseits Potenziale für Bürokratieabbau ungenutzt. Dies war offenkundig auch der Europäischen Kommission nicht verborgen geblieben. So enthielt der Kommissionsvorschlag für jede der drei geregelten Umwandlungsformen Verschmelzung, Formwechsel, Spaltung die Vorgabe, dass zwei Berichte vorzulegen seien. Auf diese Weise war sichergestellt, dass die Nichtvorlage des für eine Adressatengruppe vorgesehenen Berichts die Informationsinteressen der jeweils anderen nicht beeinträchtigen konnte. So sahen die Art. 86f, 124a und 160h des Richtlinienentwurfs für Formwechsel, Verschmelzungen und Spaltungen einen eigenen Bericht für die Arbeitnehmer bzw. ihre Vertreter vor, die entbehrlich waren, wenn die betroffene Gesellschaft außer den Mitgliedern des Leitungsorgans keine Arbeitnehmer hatte (arbeitnehmerlose Gesellschaft). Auf die nach den Art. 86e, 124 und 160g vorgesehenen Berichte für die Gesellschafter sollten diese jeweils einvernehmlich verzichten können. Die Vorgaben für den jeweiligen Inhalt der Berichte für Gesellschafter und Arbeitnehmer wiesen eine deutliche Schnittmenge auf, was den praktischen Aufwand der Gesellschaften für die Erstellung der formal getrennten Berichte in Grenzen gehalten hätte.

3. Die Ratsfassung
Der Rat hat sich nach einer rekordverdächtigen Verhandlungszeit von nur acht Monaten im Januar 2019 auf eine Textfassung geeinigt und diese im Ausschuss der Ständigen Vertreter als Grundlage für die Trilogverhandlungen am 30.1.2019 beschlossen. Zu der für eine so kurze Verhandlungszeit erforderlichen Kompromissbereitschaft aller Mitgliedstaaten dürfte das Polbud-Urteil des Europäischen Gerichtshofs maßgeblich beigetragen haben. Mit dem Urteil war gestützt auf die Niederlassungsfreiheit nach den Art. 49, 54 AEUV die Möglichkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels unabhängig von einer Verlegung des Verwaltungssitzes eröffnet worden. Für einen solchen Formwechsel bestehen freilich ...


 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.08.2019 09:47
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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