Aktuell in der AG

§ 53a AktG als Informationsnorm? - Zur Informationsgleichbehandlung im Aktien-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht (Zetzsche, AG 2019, 701)

Das jüngere Schrifttum löst Fragen der informationellen Gleichbehandlung unter Zuhilfenahme des § 53a AktG und leitet daraus Rechtsfolgen etwa zur Befugnis der Verwaltung ab, mit Investoren direkt zu sprechen. Der Beitrag untersucht die Verbindungslinien zwischen § 53a AktG und dem Grundsatz der informationellen Gleichbehandlung und kommt zu dem Ergebnis, dass § 53a AktG als reines Willkürverbot ungeeignet ist, zu informationellen Fragen präzise Ergebnisse zu liefern. Stattdessen sichern schriftliche Vorabinformationen, insb. die Rechnungslegung i.V.m. § 175 Abs. 2 AktG und Berichte zu Strukturmaßnahmen, sowie § 131 Abs. 4 AktG, dass die Stimmrechtsausübung nicht durch Informationsungleichheit beeinträchtigt wird (sog. organbezogene Informationsgleichbehandlung). Sieht man von kompensationsbezogenen Informationen ab, für die mit dem Spruchverfahren ein besonderes, auf Informationsausgleich gerichtetes Verfahren existiert, ist die Informationsgleichheit in Bezug auf Erwerb und Veräußerung der Mitgliedschaft (sog. anlagebezogene Gleichbehandlung) nur bei der börsennotierten AG geschützt. Auch dort dringt das Recht nicht auf pauschale Informationsgleichbehandlung. Die kapitalmarktrechtlichen Informationspflichten sichern jedoch den gleichen Zugang zu wesentlichen Informationen. Jenseits dieser Grenzlinien macht das Recht zur Informationsvermittlung keine Vorgaben.

I. Einleitung

II. Jüngeres Schrifttum: informationsrechtlicher Normgehalt des § 53a AktG

III. Kein informationsrechtlicher Normgehalt des § 53a AktG

1. Wortlaut

2. Historie

3. Systematik

4. Organ- und anlagerelevante Gleichbehandlungskonzepte jenseits von § 53a AktG

a) Korrelation von Herrschaft, Haftung und Information

b) Verbandsbezogene Gleichbehandlung in der AG

c) Kapitalmarktbezogene Gleichbehandlung

d) Wechselwirkung der anlage- und organbezogenen Gleichbehandlungskonzepte

5. Nicht börsennotierte (sog. kleine) AG?

IV. Die doppelspurige Informationsgleichbehandlung in der Bewährungsprobe

1. Aktionärskommunikation

2. Übernahmen

3. Spruchverfahren

V. Fazit


I. Einleitung

In mehreren jüngeren Beiträgen werden Fragen der informationellen Gleichbehandlung mit Blick auf § 53a AktG gelöst. Daraus werden weitreichende Rechtsfolgen abgeleitet, etwa zur Befugnis des Vorstands oder Aufsichtsratsvorsitzenden, mit Investoren direkt zu sprechen (II.). Soweit ersichtlich sind höhere Gerichte diesem Argumentationsweg bislang nicht gefolgt. Dieser Beitrag untersucht die Verbindungslinien zwischen § 53a AktG und dem Grundsatz der informationellen Gleichbehandlung und kommt zu dem Ergebnis, dass § 53a AktG auf Grund seiner Unschärfe als Informationsverteilungsnorm ungeeignet ist. An die Stelle tritt ein Wechselspiel aus schriftlicher Vorabinformation (z.B. der Rechnungslegung) und § 131 Abs. 4 AktG und bei der börsennotierten AG zudem kapitalmarktrechtlichen Vorschriften (III.). Die Wirkungsweise dieses Regelungsgefüges wird sodann anhand dreier Beispiele dargelegt (IV.). Der Beitrag schließt mit einem Fazit (V.).

II. Jüngeres Schrifttum: informationsrechtlicher Normgehalt des § 53a AktG
Konjunktur hat die informationsrechtliche Prägung des § 53a AktG in jüngster Zeit mit der Frage erhalten, in welchem Umfang die Verwaltung mit institutionellen Anlegern Informationen austauschen darf. So soll der Vorstand, dem die h.M. grds. Investorenkontakte zugesteht, sicherstellen, „dass auch bei informellen Gesprächen mit institutionellen Anlegern diese bei Unternehmensinformationen nicht privilegiert werden und die Rechte der übrigen Aktionäre gem. § 53a AktG beachtet werden.“ Die „Aufforderung zum Dialog des Aufsichtsratsvorsitzenden mit einzelnen Investoren in Einzelgesprächen außerhalb der Hauptversammlung“ führe „zu einer erheblichen Belastung des Gleichheitsgrundsatzes gem. § 53a AktG. Einzelne Aktionäre“ erhielten „Gelegenheit zum eingehenden Gedankenaustausch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden, während die anderen Aktionäre dem Reglement der Hauptversammlung und seiner straffen Versammlungsleitung unterworfen“ seien. Auch an anderer Stelle liest man, beim Dialog mit Investoren müsse das Gleichbehandlungsgebot des § 53a AktG beachtet und eine sachwidrige Differenzierung, insb. eine willkürliche Behandlung, vermieden werden, bevor die bevorzugte Information professioneller Anleger sodann entweder mit dem Unternehmensinteresse gerechtfertigt oder aus § 53a AktG ein intensiviertes Rechtfertigungsbedürfnis von Investorenkontakten abgeleitet wird, das etwa bei der Sicherstellung von Kapitalmaßnahmen oder der Abwehr einer feindlichen Übernahme gegeben sein soll. Nach dem zuvor Gesagten besteht scheinbar Einigkeit, dass „es nach der Vorgabe des § 53a AktG nicht handverlesen ausgesuchte Aktionäre sein [sollen], denen zu diesem Zweck ein privilegierter Informationszugang gestattet wird.“

Die Vehemenz, mit der die Frage der Investorenkontakte unter Zuhilfenahme von § 53a AktG gelöst wird, überrascht, wird doch die informationelle Dimension des § 53a AktG seit jeher streng gehandhabt. So lehnt die h.M. einen Anspruch aus § 53a AktG auf Auskunft außerhalb der Hauptversammlung seit jeher ab. Nur selten wird hierzu die gegenteilige Ansicht vertreten oder sogar gefordert, dass die Verwaltung auf außerhalb der HV gegebene Auskünfte hinweist. Des Weiteren gesteht die h.M. dem Vorstand bei der Gewährung einer Due Diligence einen Beurteilungsspielraum zu. Nur ganz wenige Stimmen leiten aus § 53a AktG einen Anspruch auf gleichmäßigen Zugang zu Informationen der AG im Rahmen einer Due Diligence ab. Vereinzelt wird unter Hinweis auf die h.M. zur Genehmigung vinkulierter Namensaktien einem veräußerungswilligen Aktionär aus § 53a AktG ein Anspruch auf Durchführung einer Due Diligence in dem Spezialfall zugebilligt, dass diese in einem früheren Fall zugelassen wurde, jedoch auch dann darauf hingewiesen, dass ein solcher Anspruch im Regelfall mangels gleicher Verhältnisse auszuschließen sei. Die Rechtsprechung hat zur Anwendung von § 53a AktG auf Informationen noch nicht Stellung genommen. Die Urteile des BGH zu § 53a AktG fokussieren auf Vermögens- oder Einflussrechte. Dies gilt, soweit ersichtlich, auch für ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.10.2019 11:23
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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