Aktuell in der AG

Aufbewahrung von Unterlagen durch das Aufsichtsratsplenum und Aufsichtsratsmitglieder (Holle, AG 2019, 777)

Die Tätigkeit von Aufsichtsräten ist in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut und professionalisiert worden. Dementsprechend verarbeiten, verwalten und produzieren Aufsichtsräte und ihre Mitglieder eine wachsende Vielzahl von Informationen. Zugleich haben ein immer realer werdendes Haftungsrisiko und die Einführung der Business Judgment Rule dazu beigetragen, dass Aufsichtsräte ein immer größeres Augenmerk darauf legen, ihre Tätigkeit minutiös zu dokumentieren, um sich gegebenenfalls gegen den Vorwurf verteidigen zu können, eine uninformierte Entscheidung getroffen zu haben. Was bislang freilich nur vereinzelt beleuchtet worden ist, ist die sich an ein solches Gebaren früher oder später zwangsläufig anschließende Frage, ob, auf welche Art und Weise und über welchen Zeitraum hin der Aufsichtsrat beziehungsweise einzelne Aufsichtsratsmitglieder verwendete und hervorgebrachte Unterlagen aufzubewahren haben. Dem soll in diesem Beitrag nachgegangen werden.

I. Einführung – Der paper trail des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder

II. Aufbewahrung von Plenumsunterlagen durch den Aufsichtsrat

1. Verpflichtung zur Aufbewahrung

2. Art und Weise der Aufbewahrung

3. Dauer der Aufbewahrung

III. Aufbewahrung „eigener“ Unterlagen durch das einzelne Aufsichtsratsmitglied

1. Verpflichtung zur Aufbewahrung

2. Art und Weise der Aufbewahrung

3. Dauer der Aufbewahrung

IV. Ausblick


I. Einführung – Der paper trail des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder

Ein Aufsichtsrat verarbeitet und produziert bei seiner Tätigkeit eine Vielzahl von Dokumenten in digitaler oder schriftlicher Form. Hierzu gehören nicht nur Unterlagen, die, wie etwa Vermerke, aufsichtsratsintern erstellt werden, sondern auch solche, die vom Vorstand (vgl. § 90 AktG) oder von dritter Seite zur Kenntnisnahme und/oder Beratung gegeben werden (z.B. anwaltliche Gutachten und Stellungnahmen von Personalberatern). Für die Sitzungen des Aufsichtsrats schreibt das Aktiengesetz in § 107 Abs. 2 Satz 1 explizit vor, dass eine Niederschrift anzufertigen ist, in die der Ort und der Tag, die Teilnehmer, die Gegenstände der Tagesordnung, der wesentliche Inhalt der Verhandlungen sowie die Beschlüsse aufzunehmen sind (§ 107 Abs. 2 Satz 2 AktG).

Aber nicht nur beim Gremium selbst, sondern auch bei jedem einzelnen Aufsichtsratsmitglied kann sich im Laufe der Tätigkeit eine Fülle von Unterlagen ansammeln. So kann ein Aufsichtsratsmitglied zunächst selbst Unterlagen anfertigen, etwa Vermerke, Gesprächsprotokolle, Notizen, Rede- oder auch Widerspruchsmanuskripte. Zugleich kann ein Aufsichtsratsmitglied aber auch verlangen, dass ihm eine Abschrift der Sitzungsniederschrift ausgehändigt wird (§ 107 Abs. 2 Satz 4 AktG). Und selbstverständlich können ihm ebenso sonstige vom Plenum hervorgebrachte beziehungsweise verwendete Unterlagen zur Verfügung gestellt werden.

Die auch für den Aufsichtsrat immer realer werdenden Haftungsgefahren und die Kodifizierung der Business Judgment Rule in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG haben zuletzt dafür gesorgt, dass der Aufsichtsrat und seine Mitglieder tendenziell immer mehr Unterlagen verarbeiten und produzieren. Immerhin steht nun in recht eindeutigen Lettern im Gesetz, dass ein pflichtkonformes Verhalten des Nachweises bedarf, bei (unternehmerischen) Entscheidungen angemessen informiert gewesen zu sein (vgl. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG). Zugleich wächst der Gebrauch von Unterlagen mit jeder Erweiterung des Aufgabenbereichs des Aufsichtsrats. Auch seine fortschreitende Professionalisierung mündet zumeist in detaillierterer Dokumentation der eigenen Tätigkeit.

Angesichts des wachsenden „paper trails“ des Aufsichtsrats und seiner Mitglieder stellt sich die Frage, ob, auf welche Art und Weise und wie lange die verwendeten und produzierten Unterlagen oder Dateien aufzubewahren sind. Im Folgenden soll dem zunächst mit Blick auf das Plenum nachgegangen werden (dazu unter II.). Im Anschluss hieran werden diese Fragen in Bezug auf das einzelne Aufsichtsratsmitglied erörtert (dazu unter III.). Der Beitrag endet mit einem Ausblick (dazu unter IV.).

II. Aufbewahrung von Plenumsunterlagen durch den Aufsichtsrat

1. Verpflichtung zur Aufbewahrung

Wie eindeutig sich beantworten lässt, ob der Aufsichtsrat verpflichtet ist, von ihm hervorgebrachte Dokumente aufzubewahren, hängt von der Art und vom Inhalt des jeweiligen Dokuments ab:

Ausnahmsweise können einzelne Aufsichtsratsunterlagen handels- und steuerrechtlichen Aufbewahrungspflichten unterfallen, die explizit regeln, dass, auf welche Art und Weise und wie lange bestimmte Geschäftsunterlagen aufzubewahren sind (vgl. z.B. § 257 HGB; § 147 AO; § 14b UStG). Diese Aufbewahrungspflichten richten sich an die Aktiengesellschaft als Rechtsperson und sind ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.11.2019 14:50
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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