OLG Frankfurt a.M. v. 6.11.2019 - 13 U 156/19

Nach Ad-Hoc-Mitteilung zum Dieselskandal: VW AG haftet nicht für Gebrauchtwagenkauf im Jahr 2016

Der Käufer eines gebrauchten, bereits mit dem Softwareupdate versehenen VW Sharan kann sich nicht auf Ansprüche wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegenüber der VW AG berufen, wenn der Ankauf ein Jahr nach der Veröffentlichung der Ad-Hoc-Mitteilung von VW über den sog. Dieselskandal sowie zahlreicher öffentlichkeitswirksamer Informationen erfolgte.

Der Sachverhalt:
Der Kläger erwarb im Oktober 2016 von einem Autohaus einen gebrauchten VW Sharan, der mit dem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet ist. Herstellerin ist die beklagte VW AG. Vor dem Kauf war ein vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigtes Software-Update aufgespielt worden. Die Abgasrückführung arbeitet nunmehr nur noch in einem einheitlichen Betriebsmodus; die so genannte Umschalt-Logik wurde beseitigt.

Bereits im September 2015 hatte die Beklagte eine Ad-hoc-Mitteilung gem. § 15 WpHG veröffentlicht. Darin wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass die Beklagte die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren des Typs AE 189 mit Hochdruck vorantreibe. Gleichzeitig veranstaltete sie eine Pressekonferenz zum Inhalt der Mitteilung. Anfang Oktober 2015 informierte die Beklagte ihr Händlernetz über die Softwareproblematik. Sie wies die Händler an, alle Gebrauchtwagenkäufer über das Vorhandensein der Umschalt-Logik aufzuklären. Darüber hinaus richtete sie auf ihrer Homepage eine Seite ein, auf der jeder durch Eingabe der Fahrzeug-Identifikationsnummer überprüfen kann, ob das betreffende Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist. Hierüber informierte sie im Rahmen einer Pressemitteilung ebenso wie über den vom Kraftfahrt-Bundesamt im Oktober 2015 angeordneten Rückruf von 2,4 Mio. Dieselfahrzeugen.

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass der Pkw vom Abgasskandal betroffen sei. Die Beklagte habe die tatsächliche Tragweite des Betrugs zu keinem Zeitpunkt zugegeben.

Das LG wies die Klage ab. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Zulassung der Revision zum BGH begehrt werden.

Die Gründe:
Dem Kläger steht kein Anspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu.

Maßgeblich für das Vorliegen eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten ist hier nicht nur der Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Pkw, sondern auch der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages des Klägers im Oktober 2016. Da der Kläger nicht Ersterwerber des Pkw ist, sondern diesen gebraucht erworben hat, ist er lediglich mittelbar Geschädigter. Mittelbar Geschädigte können sich nur dann auf eine sittenwidrige Schädigung berufen, wenn sie den Pkw gerade deswegen gekauft haben, weil sie dazu sittenwidrig durch VW veranlasst wurden. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

Die von der Beklagten bis Oktober 2016 im Zusammenhang mit der Aufdeckung des Abgasskandals ergriffenen Maßnahmen lassen vielmehr in ihrer Gesamtschau eine Bewertung des Verhaltens der Beklagten als sittenwidrig zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Vertragsabschlusses nicht (mehr) zu. Die Beklagte hat vielmehr alles ihr subjektiv und objektiv Mögliche getan, um etwaige Schäden im Zusammenhang mit dem Weiterverkauf betroffener Gebrauchtwagen zu vermeiden.

Der ursprüngliche Sittenwidrigkeitsvorwurf gegenüber der Beklagten beruht darauf, dass mit der Herstellung und dem Inverkehrbringen des Motortyps EA 189 konkludent die öffentliche Erklärung gegenüber einem potenziellen Erwerberkreis verbunden war, sein Einsatz im Straßenverkehr im Rahmen seines Verwendungszwecks sei uneingeschränkt zulässig. Dieser Sittenwidrigkeitsvorwurf entfällt, wenn die Beklagte gleichwertige, an die Öffentlichkeit gerichtete Maßnahme mit demselben Wirkungsgrad ergriffen hat, um den potentiellen Erwerberkreis über die ursprüngliche Täuschung aufzuklären.

Es komme damit nicht darauf an, ob die Beklagte mit ihren Aufklärungsmaßnahmen tatsächlich alle Gebrauchtwagenkunden erreicht hat. Ausreichend sind solche Aufklärungsmaßnahmen, von denen sämtliche potenzielle Kaufinteressenten mit üblichen Informationsgewohnheiten hätten Kenntnis nehmen können. Dies ist hier der Fall.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.11.2019 16:48
Quelle: OLG Frankfurt a.M. PM Nr. 59 vom 24.10.2019

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