OLG Dresden v. 6.3.2020 - 10a U 1834/19 u.a.

Abgasskandal: Volkswagen AG wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen zu Schadensersatz verurteilt

Das OLG Dresden hat in Verfahren über die Kaufpreisrückforderung wegen Einsatzes unzulässiger Abschalteinrichtungen im Zusammenhang mit dem "VW-Abgasskandal" die Volkswagen AG dazu verurteilt, anteiligen Schadensersatz an die klagenden Fahrzeugkäufer zu zahlen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin erwarb am 22.1.2014 einen PKW VW Touran Diesel. Sie beanspruchte die Rückgewähr des Kaufpreises unter Verweis darauf, dass der verbaute Dieselmotor des Typs EA 189 mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet gewesen sei.

Das OLG gab der Klage statt und verurteilte die beklagte Volkswagen AG dazu, anteiligen Schadensersatz zu zahlen. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.

Die Gründe:
Der Klägerin steht ein Anspruch auf anteilige Rückzahlung des Kaufpreises zu, weil die Volkswagen AG sie durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit manipulierter Motorsteuerungssoftware getäuscht und damit vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat (§ 826 BGB).

Die Manipulation an der Motorsteuerungssoftware ist als verbotene Abschalteinrichtung zu qualifizieren. Das Verhalten der verantwortlichen Personen der Volkswagen AG erweist sich als sittenwidrig, weil ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber Aufsichtsbehörden und Verbrauchern geschaffen worden ist. Das Inverkehrbringen einer Manipulationssoftware ist auch ursächlich für den Entschluss der Klägerin gewesen, den Kaufvertrag abzuschließen. Es ist plausibel, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages am 22.1.2014 darauf vertraut hat, ein Fahrzeug zu erwerben, das den einschlägigen Rechtsvorschriften entspricht und uneingeschränkt nutzbar ist. Es ist davon auszugehen, dass sie den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte, wenn sie von der damals bestehenden Gefahr des Verlusts der Zulassung oder der Verhängung von Fahrverboten gewusst hätte.

Der Schaden ist bereits in dem Abschluss eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug zu sehen, bei dem die Gefahr einer Beeinträchtigung seiner Nutzbarkeit durch Entziehung der Typengenehmigung und Fahrverbote besteht. Auf eine messbare Differenz in der Vermögenslage kommt es dabei nicht an. Für die Bestimmung des ersatzfähigen Schadens ist daher im Ausgangspunkt der vereinbarte Kaufpreis maßgebend, der gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückverlangt werden kann. Die Klägerin muss sich allerdings die Nutzungen anrechnen lassen, die sie im Zusammenhang mit der Verwendung des Fahrzeugs gezogen hat. Die Gebrauchsvorteile sind nach der Formel zu berechnen: Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer : voraussichtliche Restlaufzeit (Gesamtlaufzeit abzüglich Kilometerstand beim Kauf). Vor diesem Hintergrund kann die Klägerin nicht den vollständigen Kaufpreis zurückverlangen, sondern nur Schadensersatz in entsprechend gekürztem Umfang beanspruchen.

+++ 10a U 1907/19 +++
In einem ähnlich gelagerten Verfahren, im dem das OLG am selben Tag entschieden hat, stand der Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs VW Passat Diesel am 7.12.2015 in Streit. Der Unterschied bestand darin, dass der Kaufvertrag hier erst nach der Ad-hoc-Mitteilung der Volkswagen AG vom 22.9.2015 abgeschlossen wurde, in welcher auf "Auffälligkeiten" bei dem Motorentyp hingewiesen wurde. Der Ursachenzusammenhang zwischen Täuschung und Kaufentscheidung ist jedoch auch in diesem Fall anzuerkennen, da sich aufgrund des Mitteilungsinhalts noch nicht ausreichend ergeben hat, welche Konsequenzen aus den Manipulationen in technischer und rechtlicher Hinsicht resultieren.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.03.2020 12:58
Quelle: OLG Dresden PM Nr. 10 vom 6.3.2020

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