Aktuell in der AG

Sorgfaltspflichten des Aufsichtsrats bei der Vereinbarung von Clawback-Klauseln (Dörrwächter/Wolff, AG 2020, 233)

Clawback-Klauseln für Vorstandsmitglieder werden zunehmend von Investoren gefordert und finden sich immer häufiger in Vorstandsverträgen. Auch die aktuelle Fassung des DCGK empfiehlt, dass eine variable Vergütung in begründeten Fällen einbehalten oder zurückgefordert werden kann. Der Aufsatz geht der Fragestellung nach, welche Aspekte der Aufsichtsrat bei seiner Entscheidung über das Ob und Wie einer Clawback-Klausel berücksichtigen muss, um seiner Sorgfaltspflicht nach §§ 116, 93 AktG zu genügen. Dabei werden anhand einer empirischen Untersuchung auch die Auswirkungen von Clawback-Klauseln auf Unternehmensentscheidungen und -performance betrachtet. Hieraus können Leitlinien für den Aufsichtsrat bei der Entscheidungsfindung zu Clawbacks abgeleitet werden.

I. Problemstellung

1. Herkunft von Clawback-Klauseln

2. Gesetzliche Vorgaben und Deutscher Corporate  Governance Kodex

3. Investorenanforderungen und Unternehmenspraxis

II. Formen und rechtliche Beurteilung von Clawback-Klauseln

1. Arten und Inhalt von Clawback-Klauseln

a) Performance-Clawback

b) Compliance-Clawback

2. Zulässigkeit, Durchsetzbarkeit

a) Aktienrecht

b) AGB-Recht

III. Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrats bei der Vergütung des Vorstands

IV. Konkretisierung der Sorgfaltspflicht im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Clawback-Klauseln mit dem Vorstand

1. Regulatorische Anforderungen

a) Institutsvergütungsverordnung

b) Aktienrecht, DCGK

2. Förderung der Compliance, Investorenerwartungen

3. Alternative Sanktionen

4. Vertrauensverhältnis zwischen Aufsichtsrat und Vorstand

5. Auswirkung von Clawback-Klauseln auf die Unternehmensperformance

V. Schlussfolgerungen

VI. Zusammenfassung


I. Problemstellung

1
Im Zusammenhang mit der Vergütung von Vorstandsmitgliedern sind in jüngster Vergangenheit sog. Clawback-Klauseln in den Fokus geraten. Sie sollen ermöglichen, unter bestimmten Voraussetzungen variable Vergütung zurückzufordern, vor allem im Falle von nachträglich bekannt gewordenen Pflichtverletzungen eines Vorstandsmitglieds oder wenn sich die Grundlagen für die Festsetzung einer variablen Vergütung später als unrichtig erweisen. Daneben werden auch sog. Malus-Klauseln diskutiert, die insbesondere bei Compliance-Verstößen die Kürzung oder den vollständigen Entfall einer noch nicht ausbezahlten variablen Vergütung vorsehen. Die juristische Diskussion hierzu hat sich bisher hauptsächlich auf die Zulässigkeit und Durchsetzbarkeit von Clawback-Regelungen konzentriert. Dagegen haben ihre Auswirkungen auf das Handeln des Vorstands und die Frage, welche Handlungsanforderungen für den Aufsichtsrat aus seiner Sorgfaltspflicht nach §§ 116, 93 AktG mit Blick auf die Vereinbarung von Clawback-Klauseln mit dem Vorstand und deren Inhalt erwachsen, kaum Beachtung gefunden.

1. Herkunft von Clawback-Klauseln
2
Ihren Ursprung haben Clawback-Klauseln in den USA. Nach den Skandalen um Enron und Worldcom Anfang der 2000er-Jahre setzten dort Bestrebungen ein, die Rückforderung von Vergütung bei Missmanagement zu ermöglichen. Die im Dodd-Frank Act aus dem Jahr 2010 enthaltene Verpflichtung für börsennotierte Unternehmen, Clawbacks einzuführen, ist zwar bis heute nicht Gesetz geworden. Dennoch hatten bis zum Jahr 2016 über 80 % der Unternehmend im S&P 500 auf freiwilliger Basis derartige Klauseln implementiert.

2. Gesetzliche Vorgaben und Deutscher Corporate Governance Kodex
3
In Deutschland findet sich eine gesetzliche Verpflichtung zur Implementierung von Clawback-Klauseln ausschließlich in der Bankenregulierung. Gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 KWG sind „angemessene, transparente und auf eine nachhaltige Entwicklung des Instituts ausgerichtete Vergütungssysteme für Geschäftsleiter und Mitarbeiter“ Teil des obligatorischen Risikomanagements eines Instituts. Die auf Grundlage der Ermächtigung in § 25a Abs. 6 KWG ergangene Institutsvergütungsverordnung (InstitutsVergV) enthält detaillierte Vorgaben für die Vergütungssysteme von Instituten. § 18 Abs. 5 Satz 3 InstitutsVergV schreibt für sog. bedeutende Institute (§ 25n KWG) vor, dass der vollständige Verlust einer variablen Vergütung in jedem Fall eintreten muss, wenn ein sog. Risikoträger (s. § 2 Abs. 8 InstitutsVergV) an einem Verhalten maßgeblich beteiligt war, das für das Institut zu erheblichen Verlusten oder einer wesentlichen regulatorischen Sanktion geführt hat, oder relevante Regelungen in Bezug auf Eignung und Verhalten in schwerwiegendem Maß verletzt hat. Gemäß § 20 Abs. 6 Satz 1 InstitutsVergV, der insoweit Art. 94 Abs. 1 Buchst. n) der europäischen CRD IV umsetzt, muss das Institut in den genannten Fällen eine bereits ausgezahlte Vergütung auf Grundlage entsprechender Vereinbarungen zurückfordern (Clawback) und Ansprüche auf die Auszahlung der Vergütung zum Erlöschen bringen (Malus). Entsprechende Regelungen haben zwischenzeitlich Eingang in die Vergütungs- und Vertragsbedingungen von Vorstandsmitgliedern außerhalb des Bankenbereichs gefunden. Nach den durch das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) in das Aktiengesetz eingefügten Vorschriften zum Vergütungssystem muss dieses Angaben zu Möglichkeiten der Gesellschaft enthalten, variable Vergütungsbestandteile zurückzufordern (§ 87a Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AktG). Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt in der durch die Kodex-Kommission beschlossenen Fassung, dass eine variable Vergütung in begründeten Fällen einbehalten oder zurückgefordert werden kann (G.11 Satz 2).

3. Investorenanforderungen und Unternehmens­praxis
4
Vor allem Investoren und Stimmrechtsberater fordern in ihren Abstimmungsrichtlinien zur Vorstandsvergütung verstärkt die Aufnahme von Clawback-Klauseln in die Vorstandsverträge. Allerdings sind die Anforderungen hier im Detail sehr unterschiedlich formuliert.

5
Auch die Leitlinien für eine nachhaltige Vorstandsvergütung, die unter Mitwirkung von Aufsichtsratsvorsitzenden, Vertretern von Investoren, Wissenschaftlern sowie Corporate-Governance-Experten zustande gekommen sind, enthalten die Forderung, dass der „Aufsichtsrat [...] vertragliche Regelungen implementieren [soll], die eine Auszahlungskürzung (Malus) und Vergütungsrückforderung (Claw Back) bei ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 31.03.2020 15:07

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