Aktuell in der AG

Update: Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität im neuen (und nun finalen) Emittentenleitfaden der BaFin (Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2020, 477)

Im Juli 2019 hatte die BaFin das Konsultationsverfahren zu dem Modul C des Emittentenleitfadens angestoßen, in dem sie ihre Verwaltungspraxis insbesondere zu den Themen Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität zusammenfassend darstellt. Nachdem die Frist zur Einreichung von Stellungnahmen bereits Ende August 2019 abgelaufen war und insgesamt 15 Stellungnahmen insbesondere von Verbänden und aus der Anwaltschaft eingegangen waren, hat sich die BaFin zur Auswertung noch einmal Zeit genommen, aber nun am 22.4.2020 die finale Fassung des Moduls C (mit Stand 25.3.2020) veröffentlicht. Der Beitrag knüpft im Sinne eines Updates an den Beitrag der Verfasser zu der Konsultationsfassung des Emittentenleitfadens an (Merkner/Sustmann/Retsch, AG 2019, 621).

I. Einleitung

II. Beurteilung der Kursrelevanz am Maßstab des verständigen Anlegers

III. Zwischenschritte als Insiderinformationen

IV. Geschäftszahlen und Prognosen

1. Geschäftszahlen

2. Prognosen

V. Selbstbefreiung

1. Zuständigkeit für die Entscheidung über den Aufschub

2. Gewährleistung der Vertraulichkeit bei Gerüchten

VI. Fazit


I. Einleitung

1
Mit dem von der BaFin veröffentlichten Modul C des Emittentenleitfadens liegt nun – erstmals seit Geltung der Marktmissbrauchsverordnung (Market Abuse Regulation – MAR) ab Juli 2016 – eine umfassende und zusammenhängende Darstellung der Verwaltungspraxis der BaFin zu den Themenkomplexen Insiderrecht und Ad-hoc-Publizität vor. Die BaFin hat sich sorgfältig mit den im Zuge des Konsultationsverfahrens eingegangenen Stellungnahmen auseinandergesetzt und ihre Ausführungen gegenüber der Konsultationsfassung an einigen nicht unbedeutenden Stellen modifiziert. Aus diesem Grund bietet sich ein Update des Beitrags der Verfasser aus August 2019, der zugleich bei der BaFin als Stellungnahme zu der Konsultationsfassung eingereicht worden war, an. Dabei ist der Begriff des Updates durchaus wörtlich gemeint. Es soll an dieser Stelle nicht darum gehen, die Diskussion der einzelnen Themenkomplexe noch einmal vollständig nachzuzeichnen. Vielmehr geht es um eine Aktualisierung des Ausgangsbeitrags auf Basis des nun veröffentlichen finalen Moduls C des Emittentenleitfadens.

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Der Beitrag folgt daher der Gliederung des Ausgangsbeitrags der Verfasser. Nach dem Update zu dem allgemein für die Beurteilung der Kursrelevanz maßgeblichen Maßstab des verständigen Anlegers (nachfolgend Ziff. II., Rz. 3 ff.) folgen die Themenkomplexe Zwischenschritte, insbesondere bei M&A-Transaktionen und Personalmaßnahmen (nachfolgend Ziff. III., Rz. 8 ff.), Insiderrelevanz von Geschäftszahlen und Prognosen (nachfolgend Ziff. IV., Rz. 13 ff.) und Selbstbefreiung (nachfolgend Ziff. V., Rz. 18 ff.).

II. Beurteilung der Kursrelevanz am Maßstab des verständigen Anlegers
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Aus Sicht der Emittenten, die sich mit der Frage beschäftigen, ob eine sie unmittelbar betreffende, nicht öffentlich bekannte Information nach Art. 17 Abs. 1 MAR im Wege der Ad-hoc-Publizität zu veröffentlichen ist, spitzt sich die Frage zumeist darauf zu, ob den in Rede stehenden gegenwärtigen oder zukünftigen Umständen erhebliches Kursbeeinflussungspotential (Kursrelevanz) zukommt. Diese Frage ist nach der MAR aus der Perspektive eines verständigen Anlegers zu beurteilen. Und hier kreist der Streit seit langem – insbesondere auch im Zusammenhang mit einer Aussage in der IKB-Entscheidung des BGH – um die Frage, ob ein solcher verständiger Anleger bei seiner Anlageentscheidung auch irrationales Anlegerverhalten anderer Marktteilnehmer berücksichtigt. Während die BaFin in den von ihr veröffentlichen FAQ zur Ad-hoc-Publizität Letzteres noch für möglich erachtet hatte, sind derartige Aussagen im Emittentenleitfaden nicht enthalten. Die Adjektive „irrational“ und „spekulativ“ wurden bereits in der Konsultationsfassung nicht mehr verwendet; vielmehr betonte die BaFin die Notwendigkeit der von dem verständigen Anleger vorzunehmenden Gesamtbetrachtung im Einzelfall auch unter Berücksichtigung von Erfahrungswerten.

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In der nunmehr veröffentlichten Fassung des Emittentenleitfadens ist es dabei noch einmal zu einer leichten – wenngleich nicht außer Acht zu lassenden – Akzentverschiebung gekommen. Während es in der Konsultationsfassung noch hieß:

„Aus Sicht der BaFin bezieht ein verständiger Anleger aber auch alle Besonderheiten des Einzelfalles mit ein, d.h. er würdigt in einer Gesamtschau auch, in welcher Marktsituation sich das in Rede stehende Unternehmen befindet und – soweit er es abschätzen kann – wie andere Marktteilnehmer auf die tatsächliche, aktuelle Situation reagieren würden.“

lautet die entsprechende Passage nunmehr wie folgt:

„Aus Sicht der BaFin bezieht ein verständiger Anleger aber auch alle Besonderheiten des Einzelfalles mit ein, d.h. er würdigt in einer Gesamtschau auch, in welcher gegenwärtigen Marktsituation sich das Unternehmen befindet und ob unter Berücksichtigung dieser aktuellen Marktsituation der in Rede stehende Umstand geeignet erscheint, den Kurs des betreffenden Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen. Dabei berücksichtigt er auch, wie aus seiner Erfahrung heraus andere Marktteilnehmer (d.h. das Anlegerpublikum) in der Vergangenheit auf vergleichbare Sachverhalte reagiert haben.“

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Ohne in diesem Zusammenhang das Verständnis der IKB-Entscheidung näher zu thematisieren, lassen die geänderten Ausführungen der BaFin darauf schließen, dass die unverändert geforderte Würdigung der Marktreaktionen jedenfalls nicht zukunftsgerichtet gemeint ist, sondern es nur darum geht, Kursreaktionen auf vergleichbare Sachverhalte in der Vergangenheit als Grundlage ...
 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.06.2020 16:02
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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