Aktuell in der AG
Pflichten von Asset Managern und Asset Ownern gem. §§ 134a ff. AktGDas Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) hat in den §§ 134a ff. AktG Vermögensverwalter (Asset Manager) und bestimmte institutionelle Kunden (sog. Asset Owner) neuen Anforderungen unterworfen. Der Beitrag stellt den bislang im Schrifttum wenig durchdrungenen Inhalt der Regelungen im Kontext des Vermögensverwaltungsrechts vor und diskutiert einige drängende Praxisfragen.
I. Einleitung
II. Regelungsansatz der §§ 134a ff. AktG
1. Anlagekette
2. Eins-zu-Eins-Umsetzung der ARRL II
3. Ergänzung des sektoriellen Aufsichtsrechts
III. Anwendungsbereich (§ 134a AktG)
1. Definition der institutionellen Anleger und Vermögensverwalter (§ 134a Abs. 1 AktG)
a) Institutionelle Anleger
b) Vermögensverwalter
aa) KWG-Zulassung
bb) KAGB-Zulassung
cc) Dienstleistung für institutionelle Anleger
c) Zulassungsort
2. Bezug zur EU-börsennotierten AG
a) Stimmberechtigte Wertpapiere
b) Handel auf geregeltem Markt
c) Anteilsgröße unerheblich
d) Handel auf EU-Markt
e) Sitzerfordernis in Bezug auf Portfoliogesellschaft?
3. Verwalter- oder Produktregulierung?
a) Doppelanknüpfung an Verwalter und Fonds
aa) Grenzüberschreitende Fondsverwaltung
bb) Rechtlich eigenständige Investmentvermögen
cc) Gesellschaftsrechtlich geprägtes Verständnis
b) Grenzüberschreitende Gestaltung
aa) Innerhalb EU/EWR
bb) Drittstaatenbezug
c) Delegationsbeziehungen
IV. Mitwirkungspolitik, Mitwirkungsbericht, Abstimmungsverhalten (§ 134b AktG)
1. Mitwirkungspolitik (§ 134b Abs. 1 AktG)
a) Ausübung von Aktionärsrechten
b) Überwachung wichtiger Angelegenheiten
c) Meinungsaustauch mit Organen und Interessenträgern
d) Zusammenarbeit mit anderen Aktionären
e) Umgang mit Interessenkonflikten
2. Mitwirkungsbericht (§ 134b Abs. 2 AktG)
a) Jährliche Berichtspflicht
b) Inhalt
3. Abstimmungsverhalten (§ 134b Abs. 3 AktG)
a) Veröffentlichungspflicht
b) Rückausnahme bei unbedeutenden Fällen
4. Comply or Explain (§ 134b Abs. 4 AktG)
5. Veröffentlichungsmodus (§ 134b Abs. 5 AktG)
6. Selbstschädigung als Veröffentlichungsschranke (ErwGr. 45 ARRL II)
V. Auf Langfristigkeit abzielende Publikationspflichten (§ 134c AktG)
1. Verhältnis von Anlagestrategie zur Laufzeit und Wertentwicklung (§ 134c Abs. 1 AktG)
2. Handeln des VV für einen institutionellen Anleger (§ 134c Abs. 2 AktG)
a) Anwendungsbereich (§ 134c Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 und 2 AktG)
aa) Vereinbarung
bb) Investition
cc) Handeln im Namen des institutionellen Anlegers
dd) Fallgruppen
b) Rechtsfolge: teilweise Offenlegung der Vereinbarung (§ 134c Abs. 2 Satz 1 AktG)
c) Regelbeispiele zum Offenlegungsinhalt (§ 134c Abs. 2 Satz 2 AktG)
aa) Mittel- bis langfristige Entwicklung der Portfoliogesellschaften
bb) Mitwirkungspolitik des Verwalters
cc) Leistungsanreize des Verwalters
dd) Portfolioumsatz etc.
ee) Laufzeit
d) Keine Regelung (§ 134c Abs. 2 Satz 3 AktG)
e) Keine Vereinbarung
3. Veröffentlichungsmodus (§ 134c Abs. 3 AktG)
a) Publikation durch institutionellen Anleger (§ 134c Abs. 3 Satz 1 AktG)
b) Internetpublikation durch Vermögensverwalter (§ 134c Abs. 3 Satz 3 AktG)
4. Bericht des Vermögensverwalters an institutionelle Anleger (§ 134c Abs. 4 AktG)
a) Berichtspflicht
b) Prinzip nach § 134c Abs. 4 Satz 1 AktG
c) Mindestangaben gem. § 134c Abs. 4 Satz 3 AktG
aa) Wesentliche Mittel- bis Langfristrisiken
bb) Portfoliodaten
cc) Wertpapierleihe
dd) Interessenkonflikte
VI. AktG vs. Aufsichtsrecht
1. Vorrang sektorieller Gesetzgebung
a) Verhältnis zu Art. 30 ff. AIFM-L2-Verordnung
b) Insbesondere: Art. 37 AIFM-L2-Verordnung
2. Ergänzungen des Jahresberichts von Publikumssondervermögens (§ 101 Abs. 2 Nr. 5 KAGB)
3. Änderungen im VAG
4. Änderungen im VAG
VII. Sanktionen
1. AktG
2. Aufsichtsrecht
VIII. Inkrafttreten
1. Retrospektive Berichtspflichten (§ 134b Abs. 2, § 134b Abs. 3, § 134c Abs. 4 AktG)
2. Prospektive Pflicht: Mitwirkungspolitik (§ 134b Abs. 1 AktG)
IX. Fazit in Thesen
I. Einleitung
1
Die Art. 1 Nr. 18 bis 19 des ARUG II setzen in §§ 134a bis 135 AktG die Kapitel Ib (Art. 3i bis 3h) der reformierten AktionärsrechteRL (EU) 2017/828 (ARRL II) zur „Transparenz bei institutionellen Anlegern, Vermögensverwaltern und Stimmrechtsberatern“ um. Die Regelung nimmt die Erfassten (Rz. 17) als Corporate Governance Akteur in die Pflicht, mit dem Ziel Anleger und Endbegünstigte besser über die Ausübung der Aktionärsrechte in den Gesellschaften und die Mitwirkung der Vermögensverwalter und institutionellen Anleger bei der Corporate Governance in den Portfoliogesellschaften zu informieren. Anleger und Endbegünstigte sollen kontrollieren können, ob die institutionellen Anleger und von diesen beauftragte Vermögensverwalter Anlagestrategien verfolgen, die ihrem langfristigen Anlagehorizont entsprechen.
2
Der europäische Gesetzgeber vermutet einen strukturellen Interessenkonflikt, der dazu führt, dass die zwischen Endbegünstigten und Gesellschaften geschalteten institutionellen Anleger und Vermögensverwalter ihre Einflussmöglichkeiten suboptimal ausüben. Einerseits geht es um Passivitätsanreize aufgrund der Kosten des Aktionärsengagements, andererseits können etwa Gebührenstrukturen zur Bevorzugung der Quartals- oder Jahresperformance im Verhältnis zur mittel- bis langfristigen Performance führen. Folglich vermutet man einen Druck auf Gesellschaften, „damit diese kurzfristig Erfolge liefern, was die langfristige finanzielle und nicht-finanzielle Leistung von Gesellschaften gefährden und neben anderen negativen Auswirkungen auch suboptimale Investitionen, beispielsweise in Forschung und Entwicklung, zu Lasten des langfristigen Unternehmenserfolgs und der Anleger zur Folge haben“ soll (vgl. ErwGr. 25 ARRL II).
3
Die §§ 134a ff. AktG zielen auf die Gewährleistung einer Kongruenz von Pflicht und Pflichterfüllung: Mittel- bis Langfristdenken soll die Richtschnur bei der Ausübung der Einflussoptionen sein, wenn der Anlagehorizont aufgrund von Pflicht und Interesse der Endbegünstigten langfristig ist.
4
Die damit einhergehenden Rechtsfragen in Bezug auf institutionelle Anleger und Vermögensverwalter werden im Folgenden behandelt, solche in Bezug auf Stimmrechtsberater sind jedoch Spezialabhandlungen vorbehalten.
5
Voranzustellen ist: Große Stewardship-Debatten sind nicht Gegenstand dieses Beitrags. Auch ist über Sinn und Unsinn von Kapitel Ib ARRL II nicht zu diskutieren. Die im Rahmen des ARUG II-Gesetzgebungsverfahrens eloquent, aber wirkungslos vorgetragene Kritik am Regelungsinhalt der europäischen Vorgaben kommt zu spät und auf den falschen Kanälen. Was in deutschen Gesellschaftsrechtsgazetten Jahre nach Abschluss des Trilogues geschrieben wird, interessiert in Brüssel nicht. Erforderlich wäre eine lautstarke Einmischung auf europäischer Ebene nach Vorlage des Kommissionsvorschlags und über den mühseligen Weg der koordinierten Interessenvertretung gewesen. Auch wenn man die Regelungen für nicht ausgereift hält, geht es bei deren Umsetzung vor allem um Vermeidung von Friktionen und unnötigen Kosten.
6
Zunächst wird der Regelungsansatz der §§ 134a bis 135 AktG dargelegt (II., Rz. 7), bevor der Anwendungsbereich gem. § 134a AktG (III., Rz. 17), die Mitwirkungspolitik und -berichte gem. § 134b AktG (IV., Rz. 55), die auf Langfristigkeit abzielenden Offenlegungspflichten gem. § 134c AktG (V., Rz. 88), das Verhältnis zum sektoriellen Aufsichtsrecht (VI., Rz. 154), das Sanktionsregime (VII., Rz. 170) und das Inkrafttreten (VIII., Rz. 176) untersucht werden. Ein Fazit in Thesen ...