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Die mehrmalige Ausschüttung von Dividenden (Klett/Reinhardt, ZIP 2021, 275)

Zwar gestattet das deutsche Aktienrecht keine Auszahlung von Interimsdividenden, dennoch gibt es für Aktiengesellschaften Möglichkeiten, neben der auf der ordentlichen Hauptversammlung beschlossenen Dividende – unter Wahrung der Grundsätze des § 57 AktG – weitere Gewinnausschüttungen an ihre Aktionäre vorzunehmen. Der vorliegende Beitrag stellt diese Möglichkeiten der „mehrmaligen“ Ausschüttung von Dividenden dar und unterzieht sie einem Vergleich.

I. Einleitung und Hintergrund
II. Die reguläre Dividendenausschüttung in der Aktiengesellschaft
III. Möglichkeiten der „mehrmaligen“ Dividendenausschüttung

1. Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn
2. Änderung des gefassten Gewinnverwendungsbeschlusses
2.1 Zulässigkeit und Anforderungen
2.1.1 Verminderung des Gewinnvortrags
2.1.2 Verminderung der Einstellungen in die Gewinnrücklagen
2.2 Gleichzeitige Änderung des festgestellten Jahresabschlusses?
3. Änderung des Geschäftsjahres
4. Vergleich und praktische Konsequenzen
4.1 Zeitpunkt und Bezugszeitraum der Dividendenzahlung
4.2 Umfang der Dividendenzahlung
4.3 Aufwand der Durchführung der Dividendenzahlung
IV. Zusammenfassende Schlussbetrachtung


I. Einleitung und Hintergrund

Während sich die globalen Aktienmärkte – zumindest nach gegenwärtigem Stand – größtenteils von den gravierenden Kurseinbrüchen zu Beginn der COVID-19-Pandemie erholt haben, bleiben die Folgen der Corona-Krise für viele Aktionäre dennoch durch ausbleibende oder reduzierte Dividendenausschüttungen spürbar. So haben die weltweit von den 1.200 größten Unternehmen im 3. Quartal 2020 ausgeschütteten Dividenden einen Rückgang um 11,4 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erfahren. 1 Besonders drastisch ist der Rückgang dabei in Europa (– 26,8 %) sowie dem Vereinigten Königreich (– 41,6 %) ausgefallen, während die Dividendenzahlungen in Nordamerika bislang kaum unter der Corona-Krise gelitten haben und sich ungefähr auf dem Vorjahresniveau bewegen. 2 In Deutschland lassen sich die Dividendenreduzierungen in den seltensten Fällen mit tatsächlich erlittenen Gewinneinbußen aufgrund der COVID-19-Pandemie rechtfertigen. Schließlich wurde auf den letztjährigen Hauptversammlungen in der Regel über den Bilanzgewinn des (von COVID-19 noch unbeeinflussten) Geschäftsjahres 2019 beschlossen. Bei den letztjährigen reduzierten Dividendenzahlungen handelte es sich mithin regelmäßig um Vorsichtsmaßnahmen, die getroffen wurden, um die erwarteten wirtschaftlichen Turbulenzen durch eine gestärkte Bilanz aufzufangen oder wenigstens abzumildern. Teilweise war (und ist) es Unternehmen auch aufgrund gesetzlicher 3 oder regulatorischer 4 Vorgaben faktisch unmöglich, Dividenden auszuschütten.

Allen Widrigkeiten der Pandemie zum Trotz, stehen einige Unternehmen aktuell – auch wegen des Abflachens der Pandemie über die Sommermonate und des durch staatliche Hilfsprogramme verhinderten Kollapses der Weltwirtschaft – finanziell deutlich besser da, als zu Beginn der COVID-19-Pandemie befürchtet. Auch wenn der weitere Verlauf der Infektionskrankheit und die damit verbundene weltwirtschaftliche Entwicklung ungewiss bleiben, mag es für einige dieser Gesellschaften überlegenswert sein, ihre Aktionäre bereits vor der nächsten ordentlichen Hauptversammlung an den einbehaltenen Gewinnen partizipieren zu lassen. Aber auch losgelöst von der COVID-19-Pandemie können sich Situationen ergeben, in welchen die Ausschüttung einer zusätzlichen Dividende sinnvoll sein kann, etwa aus steuerlichen Gründen oder zur Aktionärspflege. Denkbar sind darüber hinaus auch Konzernsachverhalte, in denen der kurzfristige Kapitalbedarf einer Muttergesellschaft bedient werden muss.

Der vorliegende Beitrag möchte näher untersuchen, welche Möglichkeiten Aktiengesellschaften 5 zur Verfügung stehen, Ausschüttungen neben der „regulären“ Dividendenzahlung vorzunehmen. Zwar gestattet das deutsche Aktiengesetz – anders als das Recht der USA 6 oder des Vereinigten Königreichs 7 – keine Auszahlung von Interimsdividenden. 8 Es existieren allerdings auch hierzulande Wege, losgelöst von der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung auf der ordentlichen Hauptversammlung, Dividenden auszuzahlen. Zunächst soll hierbei die reguläre Dividendenausschüttung innerhalb der Aktiengesellschaft dargestellt werden (hierzu II). Daran anschließend werden die Möglichkeiten der „mehrmaligen“ Dividendenausschüttung beleuchtet, namentlich die Zahlung eines Abschlags auf den Bilanzgewinn gem. § 59 AktG (hierzu III 1), die Änderung eines bereits gefassten Gewinnverwendungsbeschlusses (hierzu III 2) sowie die Änderung des Geschäftsjahres (hierzu III 3). Diese Möglichkeiten werden miteinander verglichen und bewertet (hierzu III 4) und die gefundenen Ergebnisse in der Schlussbetrachtung zusammengefasst (hierzu IV).

II. Die reguläre Dividendenausschüttung in der Aktiengesellschaft
Das Aktiengesetz geht im Grundsatz davon aus, dass Aktiengesellschaften einmal jährlich über die Ausschüttung einer Dividende beschließen und diese entsprechend einmal jährlich auszahlen. Dies folgt implizit aus dem Zusammenspiel der Vorschriften über die aktienrechtliche Vermögensbindung und die ordentliche Hauptversammlung. Gem. §§ 174, 175 AktG beschließt die ordentliche Hauptversammlung über die Verwendung des letztjährigen Bilanzgewinns. Zugleich bestimmt § 57 Abs. 3 AktG, dass Auszahlungen an Aktionäre, die nicht aus dem Bilanzgewinn erfolgen, unzulässig sind. Eine Auszahlung an Aktionäre neben der jährlichen Dividende, die nicht auf einem (Hauptversammlungs-)Beschluss über die Verwendung des Bilanzgewinns beruht, ist damit nicht statthaft. Ein häufigerer Ausschüttungsturnus kann auch nicht durch mehrmalige Beschlussfassung über den Bilanzgewinn erreicht werden, etwa dergestalt, dass innerhalb eines Geschäftsjahres mehrere Hauptversammlungen über einen Teil des erwirtschafteten Gewinns auf der Grundlage von Quartalsabschlüssen beschließen. Die ordentliche Hauptversammlung ist bei der Beschlussfassung über die Verteilung des Bilanzgewinns an den festgestellten Jahresabschluss der Gesellschaft gebunden. 9 Im Regelfall kann die Hauptversammlung mithin auf dessen Basis einmalig über die Verwendung des darin ausgewiesenen Bilanzgewinns entscheiden.

III. Möglichkeiten der „mehrmaligen“ Dividendenausschüttung

1. Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn

Die in § 59 AktG geregelte Möglichkeit der Abschlagszahlung auf den Bilanzgewinn stellt eine Ausnahme vom soeben dargestellten Grundsatz der einmaligen Dividendenauszahlung dar. Voraussetzung der Abschlagszahlung ist zunächst ...


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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.02.2021 10:27

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