Aktuell in der AG

Die Quotengesetzgebung nach dem FüPoG II und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (Backhaus, AG 2021, 653)

Der Gesetzgeber hat mit dem FüPoG II die Regelungen zu den Geschlechterquoten überarbeitet. Vor diesem Hintergrund untersucht der Beitrag die Anwendbarkeit der Quotengesetzgebung auf die KGaA und geht dabei auf die Besetzungsverpflichtungen (starren Quoten), Zielgrößen (flexiblen Quoten) und die damit verbundenen Berichtspflichten sowie den temporären Widerruf der Organstellung (stay on board) ein. Er zeigt auf, dass weite Teile des FüPoG II auf die KGaA keine Anwendung finden, was dessen symbolpolitischen Charakter unterstreicht.


I. Einleitung

II. Besetzungsverpflichtungen (starre Quoten)

1. Regelungen zur starren Mindestbeteiligung (§ 76 Abs. 3a AktG)

a) Anwendung auf die typische KGaA

b) Anwendung auf die atypische KGaA

c) Zwischenergebnis

2. Regelungen zur Quote im Aufsichtsrat (§ 96 Abs. 2, 3 AktG)

III. Zielgrößen und Berichtsverpflichtungen (flexible Quote)

1. Zielgrößen für die Verwaltung (§ 111 Abs. 5 AktG)

a) Anwendung auf die typische KGaA

b) Anwendung auf die atypische KGaA

2. Zielgrößen für die obersten Führungsebenen (§ 76 Abs. 4 AktG)

a) Anwendung auf die typische KGaA

b) Anwendung auf die atypische KGaA

3. Berichtsverpflichtungen und Diversitätskonzept

a) Berichtsverpflichtungen (§ 289f Abs. 2 Nr. 4, 5 und 5a HGB)

b) Diversitätskonzept (§ 289f Abs. 2 Nr. 6, Abs. 3 HGB)

4. Zwischenergebnis

IV. Temporärer Widerruf der Organstellung (stay on board)

V. Zusammenfassung und rechtspolitischer Schulterblick



I. Einleitung

Sechs Jahre nach Inkrafttreten des ersten Quotengesetzes (FüPoG I) hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Ergänzung und Änderung der Regelungen für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst (Zweites Führungspositionen-Gesetz – FüPoG II) seine bestehende Quotengesetzgebung wesentlich ergänzt. Das FüPoG II ist am 12.8.2021 in Kraft getreten.

Der Gesetzgeber bewegt sich dabei in den bekannten Bahnen einer Besetzungsverpflichtung (starre Quote) und einer Zielgrößenfestlegung mit Berichtspflichten (flexible Quote) andererseits. Nachdem das FüPoG I im hier allein interessierenden gesellschaftsrechtlichen Teil eine starre Quote von 30 % im Aufsichtsrat sowie eine flexible Quote in Form von Zielgrößen und dahingehender Transparenz vorgeschrieben hatte, nimmt der Gesetzgeber nunmehr mit dem FüPoG II den Vorstand als Leitungsgremium mit einer Mindestbeteiligung von Frauen und Männern in den Blick und nimmt Nachjustierungen an der bisherigen flexiblen Quote vor. Hinzu gesellt sich als weiteres Novum eine Regelung für einen temporären Widerruf der Organstellung (stay on board).

Die Quotenregelung hat weiterhin einen beschränkten Anwendungsbereich. Sie umfasst nur Vorstände von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Gesellschaften, Aufsichtsräte in mitbestimmten Gesellschaften oder in Mehrheitsbeteiligungen des Bundes (§ 393a AktG) sowie Körperschaften des öffentlichen Rechts des Bundes.

Dieser Beitrag konzentriert sich auf die Anwendbarkeit der gesellschaftsrechtlichen Regeln der heutigen Quotengesetzgebung nach dem FüPoG II auf die KGaA ohne Mehrheitsbeteiligung des Bundes und zeigt, dass damit ein nicht unwesentlicher Teil großer Publikumsgesellschaften von den Quotenregelungen weiterhin nur teilweise umfasst wird.

II. Besetzungsverpflichtungen (starre Quoten)

1. Regelungen zur starren Mindestbeteiligung (§ 76 Abs. 3a AktG)


Der Gesetzgeber hat sich in § 76 Abs. 3a AktG für eine Mindestbeteiligung einer Frau oder eines Mannes anstelle einer anteiligen Quote entschieden. Diese starre Mindestbeteiligung setzt voraus, dass (i) der Vorstand aus mehr als drei, also mindestens vier Personen besteht, (ii) die Gesellschaft börsennotiert ist und (iii) die paritätische Mitbestimmung gilt (§ 76 Abs. 3a Satz 1 AktG). Börsennotierung meint gem. § 3 Abs. 2 AktG eine Notierung im regulierten Markt oder einem vergleichbaren Auslandssegment 3 und ist damit zweifelsfrei feststellbar.

Die paritätische Mitbestimmung verlangt – wie auch sonst – die Geltung der Mitbestimmung nach dem MitbestG, dem MontanMitbestG oder MitbestErgG. Diese ist aufgrund des Kontinuitätsgrundsatzes des § 96 Abs. 4 AktG grundsätzlich ebenfalls zweifellos, da sich das Mitbestimmungsstatut nur infolge eines Status- und Überleitungsverfahrens (§§ 97, 98 AktG) ändern kann. Allerdings bezieht sich § 96 Abs. 4 AktG vom Wortlaut nur auf den Aufsichtsrat, so dass die Frage bleibt, ob für § 76 Abs. 3a AktG die Ist- oder die Soll-Mitbestimmung maßgeblich ist. Sie stellte sich bereits für die flexible Quote gem. § 76 Abs. 4 AktG, hätte aber aufgrund der Rechtsfolge des „leeren Stuhls“, also der Unwirksamkeit der Bestellung gem. § 76 Abs. 3a Satz 2 AktG, bei der starren Mindestbeteiligung eine andere Virulenz.

Für die Maßgeblichkeit des Soll-Statutes werden im Kern teleologische Gründe vorgebracht, die im Ergebnis nicht durchstehen. Zunächst ist die für die Maßgeblichkeit des Soll-Status vorgebrachte Sorge unbegründet, auch die später näher darzustellende Verpflichtung zur Festlegung von Zielgrößen (§ 76 Abs. 4, § 111 Abs. 5 AktG) samt Berichtspflicht (§ 289f Abs. 2 Nr. 4 HGB) 7 könnte leerlaufen. Dieses Argument berücksichtigt nicht, dass für diese andere Voraussetzungen gelten, die Geltung der paritätischen Mitbestimmung zwar hinreichende, aber anders als bei den Besetzungsverpflichtungen nicht notwendige Voraussetzung ist, und auch die einfache Mitbestimmung oder Börsennotierung jeweils allein genügen. Schließlich bleibt der Wechsel in das Soll-Statut jederzeit möglich. Das Antragsrecht für das gerichtliche Statusverfahren ist in personeller Hinsicht gem. § 98 Abs. 2 AktG denkbar weit gefasst. Der persönlich haftende Gesellschafter der KGaA ist – nicht anders als der Vorstand der AG – sogar verpflichtet, für die ordnungsgemäße Zusammensetzung des Aufsichtsrats zu sorgen und gem. § 278 Abs. 3, § 97 AktG das Statusverfahren einzuleiten.

Maßgeblich bleibt aber auch für § 76 Abs. 3a AktG das Ist-Statut, da das Kontinuitätsprinzip auch hier gilt. Der Wortlaut des § 96 Abs. 4 AktG spricht nämlich nur scheinbar für eine Beschränkung auf den Aufsichtsrat. Er adressiert die Zusammensetzung des Aufsichtsrats deshalb, weil primär diese durch das anwendbare Mitbestimmungsregime bestimmt wird. Da aber das geltende Mitbestimmungsregime immer dem Kontinuitätsgrundsatz nach § 96 Abs. 4 AktG unterliegt, nimmt § 76 Abs. 3a Satz 1 AktG in Zusammenschau beider Vorschriften schon vom Wortlaut „gelten“ her genau auf den Ist-Zustand Bezug. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einer teleologischen Betrachtung und dem Verweis auf einen höheren Wirkungsgrad der Quotenregelung bei Maßgeblichkeit des Soll-Zustandes. Die historisch-teleologische Auslegung spricht eine andere Sprache: (...)
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.09.2021 12:08
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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