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Beihilfe im Kapitalmarktdeliktsrecht - Kommentar zu BGH v. 20.7.2021 - II ZR 152/20, AG 2021, 788 - Bosch (Hellgardt, AG 2021, 784)

Der BGH hat im Bosch-Urteil (BGH v. 20.7.2021 - II ZR 152/20, AG 2021, 788) hohe Hürden an eine Beihilfe im Kapitalmarktdeliktsrecht angelegt. Auch wenn das Urteil in der Begründung nicht vollständig überzeugt, so ist doch die Grundaussage, dass eine Gehilfenhaftung für Kapitalmarktdelikte nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt, uneingeschränkt zu begrüßen.

I. Einleitung
II. Das Urteil des BGH

1. Sachverhalt
2. Urteilsgründe
III. Beihilfe im Zivil- und Strafrecht
1. Wortlautgrenze und Beihilfe vor Pflichtentstehung
2. Neutrale Beihilfehandlungen
IV. Beihilfe zu Kapitalmarktdelikten
1. Spezialregelungen zur Beteiligung
2. Kapitalmarktspezifische Auslegung des Beihilfetatbestands
V. Fazit


I. Einleitung

1
Während die großen Kapitalmarkthaftungsverfahren gegen die Volkswagen AG und die Porsche Automobil Holding SE wegen des „Diesel-Skandals“ noch in Braunschweig und Stuttgart anhängig sind,  hat sich der BGH nun erstmals in einer ungewöhnlichen Konstellation materiell-rechtlich  mit der Thematik befasst. Dabei geht es um einen Themenkreis, der bislang vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit erfahren hat:  die Haftung wegen Beteiligung an einem Kapitalmarktdelikt. Das Urteil, das zunächst kurz vorgestellt wird (Rz. 2 ff.), wirft Licht auf das Spannungsfeld zwischen § 830 Abs. 2 BGB und der strafrechtlichen Beihilfedogmatik (Rz. 6 ff.) und gibt Anlass zu einigen generellen Bemerkungen zur Beihilfe im Kapitalmarktdeliktsrecht (Rz. 13 ff.).

II. Das Urteil des BGH

1. Sachverhalt

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Die berühmte „Abschalteinrichtung“ der VW-Dieselmotoren basierte auf einer Software, welche die Bosch GmbH an Volkswagen geliefert hatte. Bei einer entsprechenden Programmierung schaltete das Steuerungssystem auf dem Prüfstand in einen Modus, der eine höhere Abgasrückführungsrate und damit einen gegenüber dem Normalbetrieb geringeren Ausstoß an Stickoxiden bewirkte.

3
Der Kläger hatte im Dezember 2013 VW-Vorzugsaktien gekauft und diese direkt nach Bekanntwerden der Abschalteinrichtung (und noch vor deren Bestätigung durch Volkswagen mittels einer Ad-hoc-Mitteilung) im September 2015 mit einem Verlust von knapp 3.800 € verkauft.

4
Diesen Schaden verlangte er nun von der Bosch GmbH ersetzt, weil diese der Volkswagen AG bei ihren Kapitalmarktdelikten Beihilfe gem. § 830 Abs. 2 BGB geleistet habe.

2. Urteilsgründe
5
Der BGH, der revisionsrechtlich ein Kapitalmarktdelikt von Volkswagen gegenüber den Anlegern gem. § 823 Abs. 2 BGB, § 331 Nr. 1 HGB, § 31 BGB bzw. §§ 826, 31 BGB zu unterstellen hatte, sah den Tatbestand der Beihilfe durch Lieferung der Steuerungssoftware als nicht erfüllt an. Das Hauptargument des II. Zivilsenats lautet, dass eine Handlung, die eine Veröffentlichungspflicht erst entstehen lasse, nicht zugleich ihre Verletzung fördere.

III. Beihilfe im Zivil- und Strafrecht
6
Gemäß § 830 Abs. 2 BGB stehen Anstifter und Gehilfen Mittätern gleich, sind also wie diese nach § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB für den Schaden verantwortlich, woran sich nach § 840 Abs. 1 BGB eine gesamtschuldnerische Haftung knüpft. Die Tatbestände der Anstiftung und Beihilfe regelt § 830 Abs. 2 BGB dagegen nicht, woraus die h.M. folgert, dass ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.11.2021 11:41
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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