BGH v. 9.12.2021 - IX ZR 201/20

Gläubigerbenachteiligung durch Befriedigung eines Dritten aus der Verwertung einer Gesellschaftssicherheit

Hat der Gesellschafter für eine Forderung eines Dritten auf Rückgewähr eines Darlehens eine Sicherheit bestellt oder eine Bürgschaft übernommen, benachteiligt die Befriedigung des Dritten aus der Verwertung einer Gesellschaftssicherheit die Gläubiger auch dann, wenn der Dritte zum Zeitpunkt der Befriedigung seiner Forderung den Gesellschafter nicht mehr aus der Gesellschaftersicherheit hätte in Anspruch nehmen können. Dies gilt ebenso, wenn der Anspruch aus der Bürgschaft bereits verjährt gewesen ist.

Der Sachverhalt:
Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der P-GmbH (Schuldnerin). Die C-AG (fortan: Bank) gewährte der Schuldnerin Darlehen. Zur Absicherung der Darlehen übernahm der Beklagte am 4.7.2011 gegenüber der Bank eine Höchstbetragsbürgschaft über 200.000 €. Ebenfalls am 4.7.2011 trat die Schuldnerin der Bank im Rahmen eines Globalzessionsvertrags zur Sicherung aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen ab. Die Bank nahm den Beklagten zwischen dem 30.8.2012 und dem 20.2.2013 i.H.v. rd. 144.000 € aus der Bürgschaft in Anspruch.

Das Insolvenzgericht eröffnete mit Beschluss vom 7.11.2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin aufgrund eines am 2.4.2012 eingegangenen Insolvenzantrags und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Aus den nach dem Insolvenzantrag im Zeitraum vom 9.5.2012 bis 16.7.2013 erfolgten Zahlungen von Kunden der Schuldnerin leitete der Kläger nach einer von ihm am 9.5.2018 vorgenommenen Abrechnung aufgrund der Globalzession schließlich rd. 31.000 € an die Bank weiter. Diesen Betrag verlangt der Kläger vom Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO erstattet. Die Klage wurde dem Beklagten am 31.10.2018 zugestellt. Der Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr teilwiese statt und verurteilte den Beklagten zur Rückzahlung von rd. 31.000 € nebst Zinsen. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG, dessen Entscheidung u.a. in ZIP 2021, 1231 ff veröffentlicht ist, hat ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anfechtungsanspruch aus § 143 Abs. 3 Satz 1, § 135 Abs. 2 InsO zu. § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO sei entsprechend anwendbar, wenn die am Gesellschaftsvermögen und am Vermögen eines Gesellschafters besicherte Forderung eines Gläubigers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Verwertung der Gesellschaftersicherheit befriedigt werde. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand. Dem Kläger steht ein Anfechtungsanspruch in entsprechender Anwendung des § 143 Abs. 3 Satz 1 InsO zu.

Hat der Gesellschafter für eine Forderung eines Dritten auf Rückgewähr eines Darlehens eine Sicherheit bestellt oder eine Bürgschaft übernommen, benachteiligt die Befriedigung des Dritten aus der Verwertung einer Gesellschaftssicherheit die Gläubiger auch dann, wenn der Dritte zum Zeitpunkt der Befriedigung seiner Forderung den Gesellschafter nicht mehr aus der Gesellschaftersicherheit hätte in Anspruch nehmen können. Dies gilt ebenso, wenn der Anspruch aus der Bürgschaft bereits verjährt gewesen ist.

Erhöht sich die Forderung des Dritten etwa aufgrund laufender Zinsen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und erhält der Dritte hierfür eine Befriedigung aus der Verwertung einer Gesellschaftssicherheit, umfasst der Anfechtungsanspruch gegen den Gesellschafter auch die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Ansprüche des Dritten, wenn sich sowohl die Gesellschaftssicherheit als auch die Gesellschaftersicherheit auf diese Ansprüche erstrecken.

Verwertet der Insolvenzverwalter eine Gesellschaftssicherheit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugunsten einer Forderung eines Dritten auf Rückgewähr eines Darlehens, für die der Gesellschafter eine Sicherheit bestellt hat, beginnt die Verjährung des Anfechtungsanspruchs gegen den Gesellschafter frühestens mit der Befriedigung des Dritten.

Mehr zum Thema:

  • Aufsatz: Staatliche Finanzhilfen im Insolvenzverfahren (Thole, ZIP 2022, 97)
  • Aufsatz: Massesicherung nach Insolvenzreife (Bitter, GmbHR 2022, 57)
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.01.2022 17:52
Quelle: BGH online

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