Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 27)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

BayObLG 22.4.2021, 1 ZBR 74/20 – Tintenrezepturen
Zur Vollstreckung eines gegen eine GmbH gerichteten Auskunftstitels

1. a) Wird durch eine gerichtliche Entscheidung dem Antrag eines Gesellschafters gegen die GmbH auf Auskunftserteilung (§ 51a Abs. 1 GmbHG) stattgegeben, so findet die Zwangsvollstreckung daraus nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung statt. Nichts anderes gilt für einen Vergleich, der in einem solchen gerichtlichen Verfahren geschlossen worden ist.

b) Da die Auskunftserteilung durch die GmbH eine unvertretbare Handlung darstellt, richtet sich die Vollstreckung nach § 888 ZPO. Unter Prozessgericht des ersten Rechtszuges im Sinne dieser Vorschrift ist dabei das Eingangsgericht des Verfahrens zu verstehen, in dem der Vollstreckungstitel geschaffen worden ist. Wenn es sich um einen Prozessvergleich handelt, ist deshalb das Gericht zuständig, bei dem das Verfahren, in dem der Vergleich geschlossen worden ist, im ersten Rechtszug anhängig war.

2. Das Rechtsschutzinteresse eines Schuldners an seinem Rechtsmittel gegen einen Beschluss gem. § 888 Abs. 1 ZPO kann trotz der Vollstreckung dieses Beschlusses und der Vornahme der geschuldeten Handlung fortbestehen.

3. § 269 Abs. 1 ZPO findet – anders als § 269 Abs. 3 ZPO – auf die Rücknahme eines Antrags gem. § 888 Abs. 1 ZPO keine Anwendung.

4. a) Unklarheiten über den Inhalt einer titulierten Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht.

b) Dem Gläubiger ist es verwehrt, im Verfahren der Zwangsvollstreckung allein deshalb Auskünfte zu erzwingen, weil der Schuldner materiell-rechtlich zu deren Erteilung verpflichtet ist.

c) Belege, die ein Auskunftspflichtiger vorlegen soll, müssen in dem Titel bezeichnet und daher jedenfalls in den Entscheidungsgründen konkretisiert werden. Die vorzulegenden Belege sind im Entscheidungsausspruch so bestimmt zu benennen, dass sie im Falle einer Zwangsvollstreckung vom Gerichtsvollzieher aus den Unterlagen des Auskunftspflichtigen ausgesondert und dem Berechtigten übergeben werden können.
(alle amtl.)


OLG Brandenburg 17.2.2021, 4 U 211/20
Abberufung des Geschäftsführers; Anerkennung einer Anfechtungsklage; unzulässiger Insichprozess

1. Ein Anerkenntnisurteil, das in einem unzulässigen Insichprozess ergeht, ist prozessual unwirksam.

2. Wird in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Abberufung eines Geschäftsführers der Prozessbevollmächtigte der beklagten GmbH vom klagenden Geschäftsführer bevollmächtigt, so liegt ein unzulässiger Insichprozess vor. Eine solche Vertretung der beklagten GmbH durch den klagenden Geschäftsführer ist gesellschaftsrechtlich unwirksam.
(alle nicht amtl.)


FG Münster 15.4.2021, 3 K 3724/19 F
Zur Ableitung des gemeinen Werts eines GmbH-Anteils aus Einziehung von Geschäftsanteilen

1. Bei der Bewertung von Anteilen nichtbörsennotierter Kapitalgesellschaften ist der anzusetzende gemeine Wert gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG vorrangig aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten, die am Stichtag weniger als ein Jahr zurückliegen. Allerdings ist nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG zwingend der Substanzwert als Mindestwert anzusetzen, auch wenn ein aus Verkäufen unter fremden Dritten i.S.d. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG abgeleiteter Wert ermittelt wurde, der unter dem Substanzwert liegt.

2. Die Ermittlung des aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleitenden Werts gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG kann auch unter Berücksichtigung einer freiwilligen Einziehung von Geschäftsanteilen erfolgen, weil es sich bei der Einziehung um einen verkaufsähnlichen Vorgang handelt.
(alle nicht amtl.)



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 06.07.2021 10:34
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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