EuGH v. 14.10.2021 - C 45/20 u.a.

Vorsteuerabzug bei gemischt genutzten Gegenständen

Der EuGH hat sich mit der Frage des BFH befasst, ob der Vorsteuerabzug für gemischt genutzte Gegenstände davon abhängig gemacht werden darf, dass die Zuordnung des betreffenden Gegenstands zum Unternehmensvermögen dem zuständigen Finanzamt innerhalb einer bestimmten Frist mitgeteilt wird.

Der Sachverhalt:
Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Vorsteuerabzug, der sich aus der Zuordnung eines gemischt (d.h. sowohl privat als auch unternehmerisch) genutzten Gegenstands zum Unternehmensvermögen ergibt, nur dann zulässig, wenn diese Zuordnung dem zuständigen Finanzamt innerhalb der gesetzlichen Frist für die Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung mitgeteilt wurde, d.h. bis zum 31. Mai des Folgejahres.

Der BFH befragte den EuGH dazu, ob diese Rechtsprechungspraxis mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Es war über zwei Fälle zu entscheiden, in denen der Vorsteuerabzug für ein Arbeitszimmer in einem Einfamilienhaus bzw. für eine Photovoltaikanlage abgelehnt wurde, weil deren Zuordnung zum Unternehmensvermögen den zuständigen Finanzämtern erst nach dem 31. Mai des betreffenden Folgejahres mitgeteilt wurde.

Der EuGH antwortete dem BFH wie folgt (EuGH v. 14.10.2021 - C‑45/20 und C‑46/20):

Art. 168 Buchst. a i.V.m. Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er nationalen Bestimmungen nicht entgegensteht, die von einem nationalen Gericht so ausgelegt werden, dass die zuständige nationale Steuerverwaltung den Vorsteuerabzug in Bezug auf einen Gegenstand unter der Annahme, dass dieser dem Privatvermögen des Steuerpflichtigen zugewiesen wurde, verweigern darf, wenn ein Steuerpflichtiger ein Wahlrecht hat, ob er einen Gegenstand dem Vermögen seines Unternehmens zuordnet, und diese Steuerverwaltung nicht spätestens bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist für die Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung in die Lage versetzt wurde, aufgrund einer ausdrücklichen Entscheidung oder hinreichender Anhaltspunkte eine solche Zuordnung des Gegenstands festzustellen. Es sei denn, die besonderen rechtlichen Modalitäten für die Ausübung dieser Befugnis lassen erkennen, dass sie nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

Die Gründe:
Der BFH muss die Verhältnismäßigkeit der Ausschlussfrist prüfen. Es ist für den BFH wichtig zu prüfen, ob die fragliche Ausschlussfrist, die der Frist gemäß § 149 Abs. 2 AO für die Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung entspricht, d.h. der 31. Mai des Jahres, das auf das Jahr folgt, in dem die Zuordnungsentscheidung getroffen worden ist, im Hinblick auf das Ziel der Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verhältnismäßig ist.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass zum einen die nationalen Behörden die Möglichkeit haben, gegen einen nachlässig handelnden Steuerpflichtigen Sanktionen zu verhängen, die den Neutralitätsgrundsatz weniger beeinträchtigten als die völlige Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug wie z.B. verwaltungsrechtliche Geldstrafen und eine Frist, die nach dem 31. Mai des Jahres abläuft, das auf das Jahr folgt, in dem die Zuordnungsentscheidung getroffen worden ist, nach dem ersten Anschein nicht mit der Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit unvereinbar ist, und dass zum anderen dem Recht auf Vorsteuerabzug im gemeinsamen Mehrwertsteuersystem eine herausragende Stellung zukommt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.10.2021 14:32
Quelle: EuGH online

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