BGH v. 10.3.2022 - IX ZR 178/20

Vergütung des im Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten bestellten gemeinsamen Vertreters der Anleihegläubiger

Der nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Emittenten bestellte gemeinsame Vertreter der Anleihegläubiger ist berechtigt, die ihm zustehende angemessene Vergütung nebst Auslagen der auf den einzelnen Anleihegläubiger entfallenden Quote zu entnehmen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Gläubiger inhaltsgleicher Anleihen, welche die zwischenzeitlich insolvente F. KGaA (Schuldnerin oder Emittentin) im Rahmen einer Gesamtemission begeben hat. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin berief das Insolvenzgericht eine Gläubigerversammlung der Schuldverschreibungsgläubiger mit dem Ziel der Wahl eines gemeinsamen Vertreters ein. In einem Schreiben des Insolvenzverwalters hierzu hieß es, durch die Beauftragung eines gemeinsamen Vertreters entstünden keine Kosten, da dessen Vergütung und Auslagen von der Insolvenz-masse zu tragen seien. Der Beklagte wurde mit Beschluss der Gläubiger vom 13.5.2014 zu deren gemeinsamen Vertreter bestellt. Der Kläger, der sich durch einen anwaltlichen Bevollmächtigten vertreten ließ, stimmte der Wahl nicht zu. Seine von seinem Anwalt eingereichte Forderungsanmeldung wurde vom Insolvenzverwalter zurückgewiesen. Der Beklagte meldete die Forderung des Klägers ebenfalls zur Tabelle an; daraufhin wurde sie festgestellt.

Mit Schreiben vom 30.10.2018 kündigte der Beklagte dem Kläger eine Abschlagszahlung auf die Quote an und erklärte, hiervon einen Betrag von rd. 630 € als Abschlag auf seine Vergütung sowie auf seinen Anspruch auf Ersatz von Kosten und Auslagen und angemessene Vergütung einbehalten zu wollen. Dies geschah. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangte der Kläger Zahlung von 630 € nebst Zinsen.

Das AG wies die Klage ab; das LG gab ihr antragsgemäß statt. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des LG ist der Beklagte berechtigt, den streitigen Betrag als Abschlag auf die ihm zustehende angemessene Vergütung nebst Kosten- und Auslagenerstattung (vgl. § 7 Abs. 6 SchVG) einzubehalten.

Allerdings steht dem gemeinsamen Vertreter kein selbständig durchsetzbarer Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung gegen den einzelnen Gläubiger zu. Dies folgt aus § 7 Abs. 6 SchVG. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, die Vergütung des gemeinsamen Vertreters dem Schuldner und nicht den Gläubigern aufzuerlegen, die über keine gemeinsamen Mittel verfügen. Ein Zahlungsanspruch des gemeinsamen Vertreters gegen einen Gläubiger, der nach Titulierung in dessen gesamtes Vermögen vollstreckbar wäre, stünde zudem mit dem Grundsatz in Widerspruch, dass ein Fremdkapitalgeber nur das Risiko des Kapitalverlusts trägt, aber keine darüberhinausgehenden Verpflichtungen übernimmt. Ein Anspruch gegen den Gläubiger, der in dessen gesamtes Vermögen vollstreckt werden kann, bedarf einer gesonderten Vereinbarung. Ein Mehrheitsbeschluss, der die Gläubiger zu Leistungen aus dem eigenen Vermögen verpflichtete, wäre wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG unwirksam. Gem. § 5 Abs. 1 Satz 3 SchVG dürfen durch Mehrheitsbeschluss keine Nachschuss- und Leistungspflichten begründet werden. Die Gläubiger dürfen nicht über ihr Kapital und die Anleiheforderung hinaus belastet werden.

Die Vorschrift des § 7 Abs. 6 SchVG gilt grundsätzlich auch dann, wenn der gemeinsame Vertreter erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners bestellt wird. Auch dann hat im Grundsatz der Schuldner für die Kosten und Aufwendungen einschließlich einer angemessenen Vergütung einzustehen, welche durch die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters entstehen. Ein gegen den Schuldner gerichteter Vergütungsanspruch wird nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners zwar kaum durchsetzbar sein. Die mit der Durchsetzung des Anspruchs gegen den Schuldner verbundenen Schwierigkeiten rechtfertigen es grundsätzlich jedoch nicht, contra legem Vergütungsansprüche gegen die Anleihegläubiger zu begründen. Der Senat hat bereits vor mehreren Jahren darauf hingewiesen, dass es Sache des Gesetzgebers sei, die rechtlichen Voraussetzungen für eine bessere Absicherung des Vergütungsanspruchs des gemeinsamen Vertreters zu schaffen.

Der Vergütungsanspruch des gemeinsamen Vertreters verschafft diesem jedoch das Recht, dann, wenn er erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners bestellt worden ist, die angemessene Vergütung und seine Auslagen (§ 7 Abs. 6 SchVG) der auf den einzelnen Gläubiger entfallenden Quote zu entnehmen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.03.2022 08:17
Quelle: BGH online

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