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Ausgewählte Praxisfragen der Entsprechenserklärung - § 161 AktG (Simons, AG 2022, 217)

Die Abgabe der Entsprechenserklärung gehört gem. § 161 Abs. 1 AktG zum alljährlichen Pflichtprogramm der börsennotierten (Satz 1) sowie bestimmter anderer kapitalmarktorientierter Gesellschaften (Satz 2). Trotzdem ist eine Reihe damit zusammenhängender Rechtsfragen weiterhin ungeklärt. Auch das umfangreiche aus der Praxis bekannte Anschauungsmaterial bietet hierzu nicht immer ein einheitliches Bild. Das ist umso bedauerlicher, als formale und inhaltliche Fehler der Entsprechenserklärung ernsthafte Konsequenzen - Entlastungsverweigerung, Beschlussanfechtung, Schadenersatz - nach sich ziehen können. Der Beitrag versucht, vor dem Hintergrund eines breiten Meinungsspektrums gangbare Wege für die betroffenen Unternehmen aufzuzeigen.

I. Rechtsquellen und Normumfeld
II. Zur Abgabe der Entsprechenserklärung Verpflichtete

1. Organverpflichtung
a) Grundsatz
b) (Äußere) „Einheitlichkeit“ der Erklärung
c) Delegationsmöglichkeit?
2. Mitwirkung einzelner Organmitglieder
III. Reichweite der Entsprechenserklärung
IV. Praxistest: „Abgabe“ der Entsprechenserklärung

1. Beschlussfassung
2. Beschlussinhalt
a) Grundsatz
b) Individuelle Einverständniserklärungen?
c) (Inhaltliche) „Einheitlichkeit“ der Erklärung
3. Form und „Ausfertigung“ der Entsprechenserklärung
4. Absicherung des Beschlussinhalts
V. Zeitlicher Horizont
1. Erst-/letztmalige Erklärungsabgabe
2. Jahresturnus
VI. Unterjährige Veränderungen
1. Änderungen des DCGK
a) Keine Berichtigungserklärung
b) Nächste turnusmäßige Entsprechenserklärung
c) Ausnahmen
aa) Individuelle Vorstandsvergütung
bb) Vorstandsvergütungssystem
cc) Weitere Ausnahmefälle?
2. Änderungen der geübten Kodex-Praxis
3. Änderungen der Organbesetzung
4. Geänderte Beurteilung der der Entsprechenserklärung zugrundeliegenden Umstände
VII. „Vorsorgliche“ Entsprechenserklärungen
VIII. Veröffentlichung der Entsprechenserklärung

1. Auf der Website
a) Gegenstand
b) Form
c) Zuständigkeit
d) Ort der Veröffentlichung
e) Art und Weise der Veröffentlichung
f) Sprache
g) Frist
2. Im Bundesanzeiger
a) Gegenstand
b) Form
c) Zuständigkeit
d) Frist
e) Weiterverbreitung
IX. Prüfung der Entsprechenserklärung
1. Intern
2. Extern
X. Zusammenfassung


I. Rechtsquellen und Normumfeld

1
§ 161 AktG mit seiner Verpflichtung zur Abgabe (und Veröffentlichung) der Entsprechenserklärung bildet die einzige direkte Brücke zwischen dem soft law des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) und dem positiven (Aktien-) Recht. Die Entsprechenserklärung selbst wird wiederum von den jahresabschlussbezogenen Vorschriften des HGB eingehegt, die sich mit eher technischen Fragen, nämlich deren Standort innerhalb der Erklärung zur Unternehmensführung (§ 289f Abs. 1 Nr. 2 HGB – „EzU“), der Offenlegung und Bekanntmachung (§ 325 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 HGB) sowie dem Hinweis auf den allgemein zugänglichen Fundort der Erklärung (§ 285 Nr. 16, § 314 Abs. 1 Nr. 8 HGB) befassen. Ferner enthält der Kodex begleitende Empfehlungen zur weiteren Erläuterung der Entsprechenserklärung, die ihrerseits aber kein formaler Bestandteil der Erklärung selbst sind.

2
(i) B.2 DCGK empfiehlt, dass „der Aufsichtsrat gemeinsam mit dem Vorstand für eine langfristige Nachfolgeplanung sorg[t].“ Der Empfehlung ist bereits dann genügt, wenn es eine solche „langfristige Nachfolgeplanung“ gibt. Eine weitere Empfehlung geht jedoch dahin, „die Vorgehensweise in der EzU [zu] beschr[ei]ben.“ Kommt die Gesellschaft dem nicht nach, ist diese Abweichung in der Entsprechenserklärung offenzulegen und zu begründen.

3
(ii) Gleicher Mechanismus in Empf. B.5 DCGK: Hat die Gesellschaft „für Vorstandsmitglieder eine Altersgrenze festgelegt“, muss hierzu in der Entsprechenserklärung nichts verlautbart werden. Die konkret festgesetzte Altersgrenze soll allerdings „in der EzU“ angegeben werden. Erst ein entsprechendes Versäumnis bei dieser Angabe führt zur Offenlegung und Begründung im Rahmen der Entsprechenserklärung.

4
Andere positivrechtliche Bestimmungen zur Entsprechenserklärung bestehen nicht.

II. Zur Abgabe der Entsprechenserklärung Verpflichtete

1. Organverpflichtung

a) Grundsatz

Zur Abgabe der Entsprechenserklärung gem. § 161 Abs. 1 AktG ist nicht etwa die (börsennotierte bzw. mit Kapitalmarktzugang versehene) Gesellschaft verpflichtet; vielmehr sind dies mit dem Vorstand (bzw. bei der KGaA: der persönlich haftenden Gesellschafterin) und dem Aufsichtsrat deren operative Hauptorgane, die insoweit im eigenen Namen tätig werden. Das ist schon deshalb folgerichtig, weil sich die Empfehlungen des Kodex in erster Linie an die „Verwaltung“, also das Leitungs- und das Überwachungsgremium, richten. Die Verantwortung für die EzU liegt demgegenüber bei der (wiederum durch ihren Vorstand vertretenen) Gesellschaft, die dort ihrerseits die – wie vorstehend abgegebene – Entsprechenserklärung aufzunehmen hat, § 289f Abs. 2 Nr. 1 HGB.

b) (Äußere) „Einheitlichkeit“ der Erklärung
6
Mit der Feststellung, dass sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat die Entsprechenserklärung abzugeben haben, ist noch keine Vorentscheidung über die – freilich eher theoretisch interessierende – Frage getroffen, ob „die“ Entsprechenserklärung durch die beiden (zur Vereinfachung ggf. zusammengefassten) Organ-Erklärungen konstituiert wird oder ob es sich hierbei nur ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.03.2022 15:42
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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