Aktuell in der AG

Die Umsetzung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes im Konzern (Rothenburg/Rogg, AG 2022, 257)

Am 1.1.2023 tritt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft. In Konzernen ist es möglich, dass mehrere Gesellschaften vom LkSG betroffen sind. Das kann entweder der Fall sein, wenn sich der „eigene Geschäftsbereich“ einer Gesellschaft auf mehrere Konzerngesellschaften erstreckt oder wenn mehrere Gesellschaften unmittelbar in den Anwendungsbereich des LkSG fallen. In diesen Fällen stellt sich die Frage, wie die Vorgaben des LkSG im Einklang mit dem Gesellschafts- und Konzernrecht umgesetzt werden können.


I. Einleitung
II. Compliance im Konzern

1. Grundlagen der Konzern-Compliance
2. Die Umsetzung von Compliance im Konzern
III. Konzerndimensionale Geltung des LKSG
1. § 1 Abs. 1 LkSG: Begriff „Unternehmen“
2. Zurechnung von Arbeitnehmern nach § 1 Abs. 3 LkSG
3. § 2 Abs. 6 Satz 3 LkSG: Reichweite des eigenen Geschäftsbereichs
a) Unternehmensverbindung i.S.v. § 15 AktG
b) Ausübung bestimmenden Einflusses
aa) Maßstab von § 2 Abs. 6 Satz 3 LkSG
bb) Voraussetzungen
(1) Gesellschaftsrechtliche Möglichkeit der Einflussnahme
(2) Weitere Kriterien des bestimmenden Einflusses nach Gesetzesbegründung
(a) Hohe Mehrheitsbeteiligung
(b) Einbindung in konzernweites Compliance-System
(c) Übernahme von Verantwortung für die Steuerung von Kernprozessen
(d) Rechtskonstellationen mit Möglichkeit der Einflussnahme
(e) Personelle Überschneidungen in der (Geschäfts-) Führungsebene
(f) Einflussnahme auf das Lieferkettenmanagement
(g) Einflussnahme über die Gesellschafterversammlung
(h) Gleichlauf der Geschäftsbereiche
(3) Bedeutung der Kriterien
cc) Sonderfragen
(1) Mehrstufiger bestimmender Einfluss
(2) Ausländische Gesellschaften als konzernangehörige Gesellschaften § 2 Abs. 6 Satz 3 LkSG
4. Umsetzung der Sorgfaltspflichten des LkSG im Konzern
a) Ober- und Tochtergesellschaft unterfallen dem LkSG, aber Obergesellschaft hat keinen bestimmenden Einfluss
b) Ober- und Tochtergesellschaft unterfallen dem LkSG, Obergesellschaft hat bestimmenden Einfluss
c) Nur Obergesellschaft unterfällt dem LkSG
d) Nur Tochtergesellschaft unterfällt dem LkSG
IV. Zusammenfassung


I. Einleitung

1
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) erlegt Unternehmen umfassende Bemühenspflichten zum Schutz menschenrechts- und umweltbezogener Rechtspositionen in ihren Lieferketten auf. Das LkSG zielt damit auf eine Verbesserung der internationalen Menschenrechtslage sowie der Umwelt ab.

2
Eine Vielzahl der Unternehmen in Deutschland ist in Konzernstrukturen eingebunden. Im Hinblick darauf sind bei der Anwendung des LkSG zahlreiche Rechtsfragen bisher nicht geklärt. Während grundlegende Fragen zum persönlichen Anwendungsbereich der Normen bereits teilweise diskutiert werden, wird die Umsetzung der Pflichten im Konzern in der Literatur bisher kaum beleuchtet.

II. Compliance im Konzern
3
Um zu verstehen, welche Möglichkeiten zur Umsetzung des LkSG im Konzern eröffnet sind, ist es hilfreich, zunächst die allgemeinen Grundlagen der Compliance im Konzern zu betrachten.

1. Grundlagen der Konzern-Compliance
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Dem Konzernrecht liegt das Trennungsprinzip zugrunde. Danach bilden konzernangehörige Gesellschaften zwar eine wirtschaftliche Einheit, sind aber jeweils rechtlich selbstständig. Die einzelne Konzerngesellschaft wird von ihren jeweiligen Organen geleitet, ist Trägerin von Rechten und Pflichten und haftet grundsätzlich nur mit ihrem eigenen Vermögen. Entsprechend der rechtlichen Ausgestaltung des Konzerns hat die Konzernobergesellschaft gesellschaftsrechtliche Einflussmöglichkeiten von unterschiedlicher Reichweite auf die Tochtergesellschaft. Ein Weisungsrecht gegenüber der Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft sieht das Gesetz etwa in Vertragskonzernen (§ 308 AktG) und GmbH-Konzernen (§ 37 GmbH) vor.

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Die Geschäftsleiter der Konzernobergesellschaft haben „ihre“ Gesellschaft nach § 76 Abs. 1, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG eigenverantwortlich und mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu leiten. Dabei sind sie nicht nur selbst dazu verpflichtet, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit an Gesetze und Regeln zu halten (Legalitätspflicht), sondern sie haben auch ein rechtmäßiges Verhalten innerhalb der Gesellschaft sicherzustellen (sog. Legalitätskontrollpflicht). Hieraus leitet sich zumindest bei großen Gesellschaften in der Regel die Pflicht der Geschäftsleiter ab, ein Compliance-Management-System (CMS) zu errichten. Die konkrete Ausgestaltung des CMS liegt dabei im unternehmerischen Ermessen der Geschäftsleiter.

6
Ob sich die Legalitätskontrollpflicht des Geschäftsleiters der Konzernobergesellschaft über die „eigene“ Gesellschaft hinaus auf konzernangehörige Gesellschaften erstreckt, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet. Nach einer Auffassung bezieht sich die Legalitätskontrollpflicht des Geschäftsleiters der Konzernobergesellschaft auch auf die konzernangehörigen Gesellschaften. Die wohl überwiegende Gegenansicht lehnt eine konzernweite Legalitätskontrollpflicht richtigerweise ab. Denn die Compliance-Verantwortung für die jeweilige Konzerngesellschaft liegt grundsätzlich beim...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.04.2022 15:34
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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