Aktuell in der AG

Aufsichtsratsausschuss für Geschäfte mit nahestehenden Personen (Related Party Transactions-Ausschuss) (Schmelzeisen/Lüneborg/Balke, AG 2022, 297)

Der Gesetzgeber des ARUG II hat börsennotierten Gesellschaften die Möglichkeit eröffnet, die Zustimmungsentscheidung zu sog. Related Party Transactions auf einen Aufsichtsratsausschuss zu übertragen. Ebenso wie die Anforderungen an die Besetzung des Prüfungsausschusses mit zwei Finanzexperten nach dem FISG ist die Frage, welche Aufsichtsratsmitglieder in einem RPT-Ausschuss zulässigerweise vertreten sein können, bislang unterbeleuchtet.

I. Einleitung
II. Überblick über die gesetzlichen Vorgaben
III. Definition der nahestehenden Person

1. Nahestehende natürliche Person
a) Beherrschung oder Beteiligung an gemeinschaftlicher Führung
b) Ausübung maßgeblichen Einflusses
c) Bekleidung einer Schlüsselposition
d) Gleichstellung naher Familienangehöriger
2. Nahestehendes Unternehmen
a) Angehörigkeit zur Unternehmensgruppe
b) Gemeinschaftsunternehmen eines Dritten
c) Nähebeziehung vermittelt durch eine natürliche Person
d) Leistungen im Bereich des Managements in Schlüsselpositionen
3. Gleichstellung von Organmitgliedern nahestehender Personen?
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
c) Erweiternde oder analoge Anwendung?
4. Keine Nähebeziehung
IV. Besorgnis eines Interessenkonflikts
1. Besorgnis
2. Interessenkonflikt
3. Fallgruppen
a) Organschaftliche Beziehung
b) Geschäftliche Beziehungen
c) Finanzielle Beziehungen
d) Persönliche Beziehungen
4. Bewertungsmaßstab und Präzisierung durch den Gesamtaufsichtsrat
V. Folgen einer fehlerhaften Besetzung des RPT-Ausschusses oder einer Verweigerung der Zustimmung
1. Meinungsstand
2. Stellungnahme
VI. Möglichkeit der Bestellung von Ersatzmitgliedern
VII. Zusammenfassung und Ergebnisse


I. Einleitung

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Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie („ARUG II“) Anfang 2020 fanden auch Regelungen über Geschäfte mit nahestehenden Personen Eingang in das deutsche Aktienrecht. Hintergrund ist, dass Vermögensverschiebungen von Gesellschaften auf Personen, die mit der Gesellschaft oder ihren Organmitgliedern in einer Nähebeziehung stehen, in besonderer Weise dem Verdacht unterliegen, nicht den Interessen der Gesellschaft und ihrer (Minderheits-)Aktionäre zu dienen (sog. „tunneling“). Dieser Gefahr begegnet das Gesetz nunmehr in den §§ 111a ff. AktG mit einem Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats und einer Veröffentlichungspflicht von Geschäften, die eine börsennotierte Gesellschaft mit ihr nahestehenden Personen abschließt, sofern diese einen bestimmten, in § 111b Abs. 1 AktG näher definierten Schwellenwert überschreiten. Die Gesellschaft muss ein internes Verfahren einrichten, um zu bewerten, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind (sog. Related Party Compliance).

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Der Aufsichtsrat kann die Entscheidung über die Zustimmung zu dem Geschäft im Plenum treffen oder sie einem Ausschuss (im Folgenden „RPT-Ausschuss“) übertragen. Ein solcher Ausschuss kann ad hoc zur Entscheidung über die Zustimmung zu einem bestimmten Geschäft oder als dauerhafter Ausschuss eingerichtet werden. Der Gesamtaufsichtsrat kann sowohl einen neuen Ausschuss bilden als auch die Entscheidung einem bereits bestehenden Ausschuss übertragen. Dem Gesamtaufsichtsrat steht es im Übrigen frei, die Zustimmungsentscheidung jederzeit wieder an sich zu ziehen. Er kann auf diese Weise auch einen bereits gefassten Beschluss des RPT-Ausschusses überstimmen.

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In der Praxis sind RPT-Ausschüsse rund zwei Jahre nach ihrer Einführung noch nicht allzu verbreitet. 10 Dies lässt sich teilweise damit erklären, dass etwa bei DAX-Gesellschaften die Höhe des Schwellenwerts dazu führen dürfte, dass er selten überschritten und das Zustimmungserfordernis daher selten virulent wird. Zudem dürften zahlreiche Gesellschaften, bei denen – etwa aufgrund reger Transaktionspraxis innerhalb der Unternehmensgruppe und einem verhältnismäßig niedrigen Schwellenwert – regelmäßig zustimmungspflichtige RPT-Geschäfte vorkommen, vor der äußerst komplexen rechtlichen Fragestellung der ordnungsgemäßen Ausschussbesetzung zurückschrecken: Wer Mitglied eines RPT-Ausschusses sein kann, regelt das Gesetz in § 107 Abs. 3 Sätze 5 und 6 AktG. Von maßgeblicher Bedeutung sind danach die Begriffe der „nahestehenden Person“, der „Beteiligung“ an einem Geschäft und der „Besorgnis eines Interessenkonflikts“. Die Gesetzesbegründung beinhaltet zwar für einige Konstellationen Auslegungshilfen zu diesen Begrifflichkeiten. Zentrale Aspekte – wie insbesondere die Frage, ob Organmitgliedschaften des Aufsichtsratsmitglieds in der börsennotierten Gesellschaft nahestehenden Gesellschaften zur Inhabilität führen – bleiben jedoch unklar. Vor dem Hintergrund, dass eine fehlerhafte Besetzung des Ausschusses die Unwirksamkeit seiner Beschlüsse zur Folge hat und eine Haftung der Aufsichtsratsmitglieder beträchtlichen Ausmaßes begründen kann, stellt dies einen erheblichen Unsicherheitsfaktor für betroffene Unternehmen und ihre Aufsichtsräte dar. Der folgende Beitrag soll helfen, Kriterien zur rechtssicheren Besetzung des RPT-Ausschusses zu entwickeln. Der erste Abschnitt fasst die gesetzlichen Vorgaben zusammen (Rz. 4 ff.). Der Fokus des Beitrags liegt auf der Frage, wann ein Aufsichtsratsmitglied an einem Geschäft als nahestehende Person beteiligt ist (Rz. 6 ff.) oder der Besorgnis eines Interessenkonflikts unterliegt (Rz. 36 ff.). Nach einer Auseinandersetzung mit den Folgen einer fehlerhaften Ausschussbesetzung (Rz. 50 ff.) und der Möglichkeit der Bestellung von Ersatzmitgliedern (Rz. 55) schließt der Beitrag mit einem kurzen Fazit (Rz. 56 f.).

II. Überblick über die gesetzlichen Vorgaben
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Bei der Beschlussfassung über related party transactions im Aufsichtsratsplenum können gem. § 111b Abs. 2 AktG diejenigen Mitglieder des Aufsichtsrats ihr Stimmrecht nicht ausüben, die an dem Geschäft als nahestehende Person beteiligt sind oder bei denen die Besorgnis eines Interessenkonfliktes auf Grund ihrer Beziehungen zu der an dem Geschäft beteiligten nahestehenden Person besteht.

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Für den RPT-Ausschuss ergeben sich demgegenüber gem. § 107 Abs. 3 Sätze 5 und 6 AktG folgende Besonderheiten: Anders als im Gesamtaufsichtsrat sind erstens an dem Geschäft als nahestehende Personen Beteiligte von der Ausschussmitgliedschaft ausgeschlossen und unterliegen nicht lediglich einem Stimmverbot. Zweitens unterliegen Personen, bei denen die Besorgnis eines Interessenkonflikts besteht, nicht wie im Plenum einem Stimmverbot. Der Ausschuss darf jedoch nicht mehrheitlich aus solchen Mitgliedern zusammengesetzt sein. Diese Privilegierung der Beschlussfassung in einem RPT-Ausschuss soll einen Anreiz bieten, einen solchen Ausschuss einzurichten. Im Übrigen finden auf den RPT-Ausschuss die allgemeinen für Ausschüsse des Aufsichtsrats geltenden Regelungen Anwendung. So ist eine paritätische Besetzung des RPT-Ausschusses nach h.M. nicht erforderlich, wenn ein sachlicher Grund vorliegt und eine diskriminierungsfreie Besetzung gewährleistet ist.

III. Definition der nahestehenden Person
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Von maßgeblicher Bedeutung für eine ordnungsgemäße Besetzung des RPT-Ausschusses ist die Definition der Begriffe der nahestehenden Person und der Besorgnis eines Interessenkonflikts. Ist ein Aufsichtsratsmitglied eine nahestehende Person, ist es bei Geschäften, an denen es beteiligt ist, stets als ...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.04.2022 16:38
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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