BGH v. 19.7.2022 - II ZR 103/20

Zur Bekanntmachung des Vorstandberichtes über die beabsichtigte Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre gem. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG

Der Bericht des Vorstands über die beabsichtigte Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre gemäß § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG muss nicht entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 3 Fall 2 AktG a.F. mit seinem wesentlichen Inhalt bekanntgemacht werden. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis des Streits darüber weder das ARUG noch das ARUG II zum Anlass genommen, eine entsprechende Bekanntmachung zu regeln.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft. Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten. Am 28.4.2016 hatte der Vorstand der Beklagten im elektronischen Bundesanzeiger die Einberufung der ordentlichen Hauptversammlung zum 9.6.2016. Unter TOP 5 sollte ein Beschluss zur Ermächtigung des Vorstands zur Ausgabe von Options- und/oder Wandelanleihen, Genussrechten oder Gewinnschuldverschreibungen herbeigeführt werden. Das Bezugsrecht der Aktionäre sollte der Vorstand unter bestimmten Bedingungen mit Zustimmung des Aufsichtsrats ausschließen können.

Die Beklagte machte weder den vollständigen noch den wesentlichen Inhalt des Berichts des Vorstands zum Ausschluss des Bezugsrechts bekannt. In der Einberufung wurde darauf hingewiesen, dass bestimmte, näher bezeichnete Dokumente zur Einsicht in den Geschäftsräumen der Beklagten auslägen und jeder Aktionär auf Anforderung eine Abschrift dieser Unterlagen erhalten könne. Der Vorstandsbericht war dabei nicht aufgeführt. Die Hauptversammlung, an der die Kläger nicht teilnahmen, fasste den Beschluss zu TOP 5, den die Kläger daraufhin für nichtig erklären lassen wollten.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Gründe:
Der Bericht des Vorstands über die beabsichtigte Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre gem. § 186 Abs. 4 Satz 2 AktG musste nicht entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 3 Fall 2 AktG a.F. mit seinem wesentlichen Inhalt bekanntgemacht werden. Eine Pflicht zur Bekanntmachung des wesentlichen Inhalts des Berichts des Vorstands im Vorfeld der Hauptversammlung entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 3 Fall 2 AktG a.F. besteht nicht.

Zwar ist diese Frage streitig. So muss nach teilweise vertretener Auffassung entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 3 Fall 2 AktG a.F. der wesentliche Inhalt des Berichts bekannt gemacht werden, andere lehnen eine solche Bekanntmachungspflicht ab. Der Senat hält die letztgenannte Auffassung für richtig. Denn dem BGH-Urteil vom 9.11.1992 (II ZR 230/91) lässt sich nichts anderes entnehmen. Der BGH hat in dieser Entscheidung, zumal vor Inkrafttreten der Änderung des § 186 Abs. 4 AktG durch das ARUG, die Frage einer zusätzlichen Bekanntmachung entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 3 Fall 2 AktG a.F. offengelassen und lediglich die damals herrschende Meinung im Schrifttum referiert, ohne sich ihr anzuschließen, da die beklagte Gesellschaft den wesentlichen Inhalt des Berichts bekanntgemacht hatte und die Rechtsfrage deshalb nicht entscheidungserheblich war.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus dem Leitsatz der Entscheidung, laut dem die Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts des Berichts dem Informationsbedürfnis der Aktionäre genügt. Das bedeutet aber nicht, dass eine solche Bekanntgabe des Berichts vor der Hauptversammlung auch erforderlich ist.

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers genügt grundsätzlich die fristgerechte Bekanntmachung der Tagesordnung einschließlich der Beschlussvorschläge (§ 121 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 1, § 123 Abs. 1 AktG) als sachgemäße Information der Aktionäre, aufgrund der sie in die Lage versetzt werden, sich mit den einzelnen Gegenständen der Tagesordnung zu befassen und aufgrund dieser Vorbereitung ihr Rede-, Frage- und Stimmrecht sinnvoll auszuüben sowie als Grundlage für die Entscheidung der Aktionäre, ob sie wegen der Wichtigkeit der Tagesordnung persönlich an der Hauptversammlung teilnehmen oder nicht und welche Weisungen sie ihren Vertretern erteilen wollen.

Für einen beabsichtigten Ausschluss des Bezugsrechts hat der Gesetzgeber in § 186 Abs. 4 Satz 1 AktG gesteigerte Anforderungen aufgestellt, wonach der Ausschluss ausdrücklich und ordnungsgemäß bekanntgemacht werden muss. Da diese Regelung eine Hinweis- und Warnfunktion erfüllen soll, muss der beabsichtigte Bezugsrechtsausschluss deutlich und eindeutig angekündigt werden Eine über § 186 Abs. 4 Satz 1 AktG hinausgehende Bekanntmachungspflicht für den wesentlichen Inhalt des Berichts des Vorstands ist im Gesetz nicht angelegt. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis des Streits weder das ARUG noch das ARUG II zum Anlass genommen, eine entsprechende Bekanntmachung zu regeln. Auch widerspricht eine Pflicht zur Bekanntmachung des Vorstandsberichts entsprechend § 124 Abs. 2 Satz 3 Fall 2 AktG a.F. dem Sinn und Zweck dieser Norm.

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Aufsatz
Hans-Joachim Priester
Vorstandsermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss beim genehmigten Kapital
AG 2022, 117

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.08.2022 10:56
Quelle: BGH online

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