Aktuell in der AG

Erben als Aktionäre (Wedemann, AG 2022, 560)

Der vorliegende Beitrag geht den rechtlichen Herausforderungen nach, die mit der Aktionärsstellung von Erben verbunden sind. Diese werden bislang nur wenig erörtert. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht § 69 Abs. 1 AktG, demzufolge mehrere Erben die Rechte aus einer Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben können. Diese Regelung wirft mannigfaltige rechtliche Fragen auf. Rechtliche Fragen ranken sich darüber hinaus um die Eintragung der Erben ins Aktienregister und die Beteiligungsfähigkeit von Erbengemeinschaften im aktienrechtlichen Spruchverfahren.

I. Einleitung
II. Eintragung der Erben im Aktienregister

1. Voraussetzung für die Legitimationswirkung nach § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG
2. Haftungsbeschränkung gem. §§ 1975 ff., §§ 2059 ff. BGB nach der Eintragung
III. Steckbrief, § 69 AktG
1. Sinn und Zweck
2. (Praktischer) Anwendungsbereich
3. Parallelvorschrift: § 18 GmbHG
IV. Der gemeinschaftliche Vertreter der Erbengemeinschaft
1. Vertretung durch mehrere Personen
2. Satzungsmäßige Vorgaben für die Person des Vertreters
3. Eintragung des Vertreters in das Aktienregister
a) Eintragungsfähigkeit
b) Legitimationswirkung des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG
4. Möglichkeiten der Beschränkung der Vertretungsmacht
5. Ausnahmsweise Rechtsausübung durch die Erben
a) Notvertretungsrecht
b) Gestattung durch die Gesellschaft
V. Beteiligtenfähigkeit der Erbengemeinschaft im Spruchverfahren
VI. Zusammenfassung


I. Einleitung

1
Im Ausgangspunkt sind die gesellschaftsrechtlichen Folgen des Todes eines Aktionärs einfach: Seine Aktionärsstellung geht auf den bzw. die Erben über. In der Folge wird die Rechtslage jedoch intrikater, denn die Aktionärsstellung von Erben begründet einige rechtliche Herausforderungen. Diese resultieren insbesondere aus § 69 Abs. 1 AktG, demzufolge mehrere Erben die Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben können.

2
Der vorliegende Beitrag spürt den zentralen Fragen nach, die mit der Aktionärsstellung von Erben verbunden sind. Zu Beginn widmet er sich der Eintragung der Erben im Aktienregister und untersucht, ob die Legitimationswirkung des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG hiervon abhängt und welche Auswirkungen die Eintragung auf die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach §§ 1975 ff., §§ 2059 ff. BGB hat (II.; Rz. 3 ff.). Anschließend erstellt er einen Steckbrief der verschiedenen Regelungen des § 69 AktG, wobei ein Abgleich mit der Parallelregelung des § 18 GmbHG erfolgt (III.; Rz. 9 ff.). Sodann richtet sich der Fokus auf zentrale Probleme, die mit dem Erfordernis der Bestellung eines gemeinschaftlichen Vertreters nach § 69 Abs. 1 AktG einhergehen (IV.; Rz. 12 ff.). Abschließend setzt sich der Beitrag mit der Beteiligungsfähigkeit von Erbengemeinschaften im aktienrechtlichen Spruchverfahren auseinander, die in jüngster Zeit eine Kontroverse in der Rechtsprechung ausgelöst hat (V.; Rz. 32 f.).

II. Eintragung der Erben im Aktienregister

1. Voraussetzung für die Legitimationswirkung nach § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG

3
Nach dem Tod eines Inhabers von Namensaktien stellt sich die Frage, ob aufgrund von § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG die Rechte und Pflichten aus den Aktien im Verhältnis zur AG nur dann für und gegen die Erben wirken, wenn diese im Aktienregister eingetragen sind. Nach h.M. geht die Eintragung des Erblassers im Aktienregister gem. § 1922 BGB als selbstständiger, von der Mitgliedschaft losgelöster Vermögenswert auf die Erben über. Die im Vordringen befindliche Gegenauffassung plädiert für eine differenzierende Lösung: Danach können die Erben die Rechte aus der Aktie erst nach ihrer Eintragung im Aktienregister ausüben, wohingegen sie die mitgliedschaftlichen Pflichten schon mit dem Erbfall treffen. Diese Sichtweise entspricht der h.M. 4 zur Parallelproblematik der Eintragung der Erben in die Gesellschafterliste nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG.

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Die differenzierende Lösung überzeugt auch im Aktienrecht. Die Kopplung der Rechtsausübung an die Registereintragung ist zur Erreichung des Zwecks des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG vonnöten, der Gesellschaft Rechtsklarheit und -sicherheit dadurch zu verschaffen, dass sie unabhängig von der materiellen Rechtslage die Legitimation der Aktionäre ausschließlich aus der Eintragung im Aktienregister entnehmen kann.

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Gegen eine solche Kopplung lässt sich nicht § 70 Satz 2 AktG anführen, wonach den Erben die Aktienbesitzzeit des Erblassers zuzurechnen ist. Denn aus der Zurechnung der Aktienbesitzzeit lässt sich keine Zurechnung der Registereintragung ableiten: Die Zurechnung der Aktienbesitzzeit bewirkt lediglich, dass sich die Karenzzeiten für die Ausübung bestimmter Minderheitenrechte nicht in die Länge ziehen, während es bei der Registereintragung viel weitergehend um eine unwiderlegbare Vermutung der Aktionärsstellung geht.

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Die Pflichtenstellung kann hingegen nicht an die Eintragung der Erben gekoppelt werden, denn andernfalls könnten sich diese durch Unterlassen der Eintragung ihren Pflichten entziehen. Eine solche „Fluchtmöglichkeit“ für die Erben würde den Zweck des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG, die Gesellschaft zu schützen, konterkarieren.

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Für die Erben ergibt sich aus der Aufspaltung der Rechte und Pflichten keine ungerechtfertigte Belastung. Zum einen liegt es in ihrer Verantwortungssphäre, sich eintragen zu lassen und so in den Genuss der Aktionärsrechte zu gelangen. Zum anderen kann jeder Erbe, solange er nicht im Aktienregister eingetragen ist, seine Haftung gem. §§ 1975 ff., §§ 2059 ff. BGB beschränken.

2. Haftungsbeschränkung gem. §§ 1975 ff., §§ 2059 ff. BGB nach der Eintragung
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Ist eine Eintragung des Erben erfolgt, so kann sich die Frage stellen, ob dieser in Bezug auf seine Aktionärshaftung weiterhin von der Möglichkeit der erbrechtlichen Haftungsbeschränkung gem. §§ 1975 ff., §§ 2059 ff. BGB Gebrauch machen kann. Nach vorzugswürdiger Ansicht ist dies aufgrund von...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.08.2022 10:04
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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