Weitere aktuelle Rechtsprechung in Leitsätzen (KW 39)

Hier finden Sie die Leitsätze ausgewählter aktueller Entscheidungen aus dem Unternehmensrecht.

OLG Hamburg 30.3.2022, 11 U 169/21
Keine Privilegierung durch COVInsAG nach Stellung eines Eigeninsolvenzantrags

Der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Nr. 4 COVInsAG ist dahin teleologisch zu reduzieren, dass die Vorschrift jedenfalls auf solche Rechtshandlungen keine Anwendung findet, die vorgenommen wurden, nachdem der Schuldner einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt und der Gläubiger hiervon Kenntnis erlangt hat.
(amtl.)

 

OLG Düsseldorf 9.5.2022, 26 W 3/21 (AktE)
Unternehmensbewertung nach Squeeze-out

1. Der Schutz der Minderheitsaktionäre gebietet es grundsätzlich nicht, im Spruchverfahren neben dem sachverständigen Prüfer einen weiteren gerichtlichen Sachverständigen hinzuzuziehen. Ein gerichtliches Sachverständigengutachten ist – auch im Hinblick auf den in § 17 Abs. 1 SpruchG i.V.m. § 26 FamFG normierten Amtsermittlungsgrundsatz – nur dann einzuholen, wenn auch nach einer etwaigen Anhörung des sachverständigen Prüfers (§ 8 Abs. 2 SpruchG) noch weiterer Aufklärungsbedarf besteht und weitere Klärung durch das Sachverständigengutachten zu erwarten ist.

2. Erfolgt die Unternehmensplanung regulär nur auf Konzern-Ebene, kann es sachgerecht sein, bei der Ermittlung des Ertragswertes eines konzernangehörigen Unternehmens eine aus der Konzernplanung abgeleitete Planung zugrunde zu legen.

3. Es obliegt weder der Gesellschaft noch dem Gericht im Rahmen seiner eigenen Schätzung des anteiligen Unternehmenswertes, umfassende wissenschaftliche Studien zur Höhe der Marktrisikoprämie durchzuführen. Regelmäßig stellt eine Marktrisikoprämie, die sich an den Vorgaben des IDW für den maßgeblichen Zeitraum orientiert, eine geeignete Grundlage für die Schätzung des Unternehmenswertes dar. Für einen Stichtag im November 2017 ist der Ansatz einer sich an den Empfehlungen des FAUB orientierenden Marktrisikoprämie nach Steuern von 5,5 % nicht zu beanstanden.

4. a) Die Bestimmung des Anteilswerts anhand des Barwerts der aufgrund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags dem Minderheitsaktionär nach § 304 AktG zustehenden Ausgleichszahlungen kann im Falle des Ausschlusses von Minderheitsaktionären nach §§ 327a, 327b AktG eine geeignete Methode zur Ermittlung einer angemessenen Abfindung gem. § 327b AktG sein. Dabei ist grundsätzlich die Heranziehung eines Kapitalisierungszinssatzes in Höhe des um den halben Risikozuschlag des in der zugrunde liegenden Bewertung nach dem Ertragswertverfahren verwendeten Kapitalisierungszinssatzes erhöhten Basiszinssatzes nicht zu beanstanden.

b) Lediglich dann, wenn der geschlossene Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag Vereinbarungen dahingehend enthält, dass im Fall der Beendigung dieses Vertrags die von den Minderheitsaktionären gehaltenen Aktien zu einem garantierten Preis veräußert werden können, ist es gerechtfertigt, bei dem Risikozuschlag nur das geringere Zahlungsausfallrisiko (Insolvenzrisiko) der Schuldnerin des Ausgleichsanspruchs zu berücksichtigen.
(alle amtl.)

 

BFH 8.12.2021, I R 47/18
Offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO bei fehlender Erkennbarkeit des zutreffenden Werts

1. Allein der Umstand, dass zur Bestimmung der zutreffenden Höhe des steuerlichen Einlagekontos nicht die mechanische Übernahme der im Jahresabschluss angegebenen Kapitalrücklage ausreicht, sondern auf einer zweiten Stufe noch weitere Sachverhaltsermittlungen zur tatsächlichen Höhe des steuerlichen Einlagekontos erforderlich sind, schließt eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO nicht aus.

2. Zumindest in denjenigen Fällen, in denen die offenbare Unrichtigkeit auf der versehentlichen Nichtangabe eines Werts in der Steuererklärung beruht, ist § 129 Satz 1 AO bereits dann anwendbar, wenn für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich erkennbar ist, dass die Nichtangabe fehlerhaft ist (Anschluss an das BFH, Urt. v. 22.5.2019 – XI R 9/18, BFHE 264, 393 = BStBl. II 2020, 37). Entsprechendes muss gelten, wenn (nur) die Angabe einer Endsumme mit 0 € erfolgt und dies erkennbar unrichtig ist.
(alle amtl.)

 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.09.2022 09:32
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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