Aktuell in der AG

Die grenzüberschreitende Spaltung nach dem UmRUG (Brandi/Schmidt, AG 2023, 297)

Die EU-Umwandlungsrichtlinie (UmwRL) führt erstmals europaweit ein einheitliches Regelungsregime für die grenzüberschreitende Spaltung sowie für den grenzüberschreitenden Formwechsel ein und ändert die Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung. Das deutsche Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) ist nun am 1.3.2023 in Kraft getreten. Die Regelungen des UmRUG zur grenzüberschreitenden Spaltung werden im Folgenden näher vorgestellt und bewertet. Vorab soll die bisherige Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit einer grenzüberschreitenden Spaltung vor Implementierung der UmwRL skizziert werden.

I. Einleitung
II. Grenzüberschreitende Spaltungen vor der UmwRL

1. Rechtsprechung des EuGH zur EU-Niederlassungsfreiheit
2. Regelungsregime der EU-Mitgliedstaaten vor Implementierung der UmwRL
III. Anwendungsbereich der UmwRL und des UmRUG
1. Beschränkung auf Kapitalgesellschaften
2. Grenzüberschreitende Spaltung zur Neugründung/zur Aufnahme
a) Vorgaben der UmwRL
b) Überschießende Richtlinienumsetzung durch UmRUG
c) Anwendungsprobleme bei fehlendem Gleichlauf mit ausländischem EU-Staat
d) Regelungssystematik bei Gleichlauf mit ausländischem EU-Staat
IV. Verfahren der grenzüberschreitenden Spaltung zur Neugründung nach dem UmRUG
1. Spaltungsplan
a) Inhalt
b) Bekanntmachung
2. Spaltungsbericht
a) Überblick
b) Anteilsinhaberspezifischer Abschnitt
c) Arbeitnehmerspezifischer Abschnitt
d) Zuleitung
3. Spaltungsprüfung
4. Zustimmung der Anteilsinhaber
5. Schutz der Anteilsinhaber
a) Barabfindung
b) Verbesserung des Umtauschverhältnisses
c) Rechtsschutz
6. Gläubigerschutz
a) Sicherheitsleistung
b) Gesamtschuldnerische Haftung
7. Schutz der Arbeitnehmermitbestimmung
8. Registerkontrolle bei Hinausspaltung
a) Rechtmäßigkeitsprüfung
b) Schutz der Anteilsinhaber und Gläubiger
c) Missbrauchsprüfung
d) Spaltungsbescheinigung und Wirksamkeit der Spaltung
9. Registerkontrolle bei Hineinspaltung
V. Fazit und Ausblick


I. Einleitung

1
Die EU-Umwandlungsrichtlinie (UmwRL) wurde als Teil des sog. „EU Company Law Package“ verabschiedet und am 12.12.2019 veröffentlicht. Gesetzessystematisch ergänzt die UmwRL die bereits bestehende EU‑Richtlinie aus dem Jahr 2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts (GesRRL).

2
Zur Umsetzung der Bestimmungen der UmwRL über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen wurde das UmRMitbestG am 1.12.2022 vom Bundestag gebilligt und ist am 31.1.2023 in Kraft getreten. Das UmRMitbestG hat ein neues Gesetz (MgFSG) zur Umsetzung der Bestimmungen über die Mitbestimmung für die grenzüberschreitende Spaltung und den grenzüberschreitenden Formwechsel eingeführt und die bestehenden Regelungen des MgVG zur Mitbestimmung bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung an die Vorgaben der UmwRL angepasst.

3
Nachdem der Rechtsausschuss des Bundestages am 5.12.2022 eine geänderte Fassung des Regierungsentwurfs (RegE) des UmRUG vorgeschlagen hatte, sah es zunächst nach einer rechtzeitigen Verabschiedung des UmRUG zum 31.1.2023 aus. Der Entwurf des UmRUG wurde vom Bundestag am 15.12.2022 jedoch überraschenderweise einstimmig an den federführenden Rechtsausschuss zurücküberwiesen und die Abstimmung darüber abgesetzt. In seiner Sitzung am 20.1.2023 hat der Bundestag das UmRUG jedoch letztendlich doch noch beschlossen. Nachdem der Bundesrat das UmRUG am 10.2.2023 ebenfalls gebilligt hat, ist das UmRUG nunmehr am 1.3.2023 in Kraft getreten.

4
Durch das UmRUG werden die Vorschriften für die grenzüberschreitende Verschmelzung aus dem bisherigen Regelungsort der §§ 122a ff. UmwG a.F. herausgelöst und es werden nunmehr sämtliche grenzüberschreitenden Umwandlungen (Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel) in einem neuen Sechsten Buch des UmwG (§§ 305–345 UmwG) geregelt. Der zweite Teil des neuen Sechsten Buches regelt die grenzüberschreitende Spaltung (§§ 320–332 UmwG). Als Grundlage dienten dafür die Vorschriften zur grenzüberschreitenden Verschmelzung, auf die an diversen Stellen Bezug genommen wird.

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Im Folgenden soll zunächst in Teil II. (Rz. 6 ff.) eine Einführung in den EU-rechtlichen Kontext, die praktische Relevanz sowie die Rechtslage bezüglich der grenzüberschreitenden Spaltung vor Implementierung der UmwRL gegeben werden. Anschließend geht Teil III. (Rz. 13 ff.) auf den Anwendungsbereich des UmRUG und dabei insbesondere auf die grenzüberschreitende Spaltung zur Aufnahme ein. In dem zentralen Teil IV. (Rz. 25 ff.) dieses Beitrags werden sodann die wesentlichen Verfahrensschritte der grenzüberschreitenden Spaltung nach dem UmRUG und dem MgFSG im Einzelnen analysiert und bewertet.

II. Grenzüberschreitende Spaltungen vor der UmwRL

1. Rechtsprechung des EuGH zur EU-Niederlassungsfreiheit

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Im europäischen Primärrecht ermöglicht die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV den Unternehmen der EU die freie Wahl der Organisationsform und gewährleistet den vollen grenzüberschreitenden Marktzutritt, d.h. Unternehmen können ihren Standort ohne unverhältnismäßige Hindernisse und frei nach ökonomischen Motiven auswählen. Die Freiheit für EU-Gesellschaften, sich grenzüberschreitend umzuwandeln, postulierte der EuGH mit den Entscheidungen in den Rechtssachen Sevic für die grenzüberschreitende Verschmelzung und Cartesio für die identitätswahrende Verwaltungssitzverlegung. Die Fortführung der Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit führte mit der Entscheidung in der Rechtssache VALE zur Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels und mündete schließlich in der Rechtssache Polbud, in welcher der EuGH...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.04.2023 16:56
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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