BGH v. 2.3.2023 - III ZR 108/22

Einbeziehung von Anlagebedingungen eines Investmentfonds als AGB in den Investmentvertrag

Die Anlagebedingungen eines Investmentfonds (OGAW-Sondervermögen) nach § 162, § 163 KAGB müssen als AGB i.S.d. §§ 305 ff BGB wirksam in den Investmentvertrag zwischen dem Anleger und der Kapitalverwaltungsgesellschaft einbezogen werden. Beim Zweiterwerb von Fondsanteilen über eine Börse oder auf dem freien Markt tritt der Letzterwerber aufgrund eines Rechtskaufs i.S.d § 453 BGB in sämtliche Rechte und Pflichten des Ersterwerbers aus dem Investmentvertrag ein, weshalb es im Verhältnis zwischen ihm und der Kapitalverwaltungsgesellschaft keiner erneuten rechtsgeschäftlichen Anerkennung der Anlagebedingungen bedarf.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin nimmt als Anlegerin eines Investmentfonds die Beklagte auf anteilige Rückzahlung dem Fondsvermögen entnommener Vertriebsentgelte in Anspruch. Die Beklagte verwaltet u.a. den Luxemburger Fonds "DWS Concept DJE Alpha Renten Global". Bei dem Fonds handelt es sich um ein rechtlich unselbständiges Sondervermögen gem. der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW). Einzelheiten zur Anlage und Verwaltung des Fondsvermögens sind im Allgemeinen und Besonderen Teil des nach Maßgabe luxemburgischen Rechts erstellten Verkaufsprospekts (A. und B.) mit dazugehörigem Verwaltungsreglement (C.) festgelegt.

Im Teil A. auf Seite 2 des Prospekts wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte als Verwaltungsgesellschaft Aufgaben unter ihrer Aufsicht und Kontrolle an Dritte delegieren kann. Unter "Vertrieb" ist dort angegeben, dass die Beklagte als Hauptvertriebsgesellschaft fungiert und mit Kreditinstituten, Professionellen des Finanzsektors und/oder nach ausländischem Recht vergleichbaren Unternehmen, die zur Identifizierung der Anteilinhaber verpflichtet sind, Vereinbarungen abschließen kann, die diese Institute berechtigen, Fondsanteile zu vertreiben. Zu "Kosten" ist im Prospektteil A. auf Seite 15 ausgeführt, dass der Fonds an die Verwaltungsgesellschaft eine Kostenpauschale auf das Netto-Fondsvermögen auf Basis des am Bewertungstag ermittelten Netto-Inventarwertes zahlt, deren Höhe im Besonderen Teil des Verkaufsprospekts festgelegt ist und die dem Fonds in der Regel am Monatsende entnommen wird, wobei "aus dieser Vergütung [...] insbesondere Verwaltung, Fondsmanagement, Vertrieb (sofern anwendbar) und Verwahrstelle bezahlt" werden. Im Prospektteil B. ist auf Seite 20 für die für Privatanleger bestimmte Anteilklasse neben einem Ausgabeaufschlag von bis zu 2% eine Kostenpauschale von bis zu 1,35% und für die anderen Anteilklassen nur eine Kostenpauschale von bis zu 0,7% vorgesehen.

Das Verwaltungsreglement C. enthält auf Seite 26 unter Art. 12 folgenden Passus: "Der Fonds zahlt eine Kostenpauschale pro Anteilklasse auf das Netto-Fondsvermögen auf Basis des am Bewertungstag ermittelten Netto-Inventarwertes i.H.v. maximal 1,35% p.a. Die Höhe der Kostenpauschale ist im Besonderen Teil des Verkaufsprospekts aufgeführt. Die Kostenpauschale wird dem Fonds in der Regel am Monatsende entnommen. Aus dieser Vergütung werden insbesondere Verwaltung, Fondsmanagement, Vertrieb (sofern anwendbar) und Verwahrstelle bezahlt." Schließlich werden in Art. 19 Nr. 1 auf Seite 28 des Verwaltungsreglements im Verhältnis zwischen den Anteilinhabern und der Verwaltungsgesellschaft die Gerichte des Großherzogtums Luxemburg für zuständig und dessen Recht für anwendbar erklärt.

Die Klägerin behauptet, sie habe am 5.3.2009 außerbörslich im Wege des Ersterwerbs über eine inländische Vermittlerin 117,552 Anteile des Fonds erworben. Nach sukzessiven entgeltlichen Anteilsrücknahmen durch die Beklagte halte sie noch 110,85401 Anteile. Sie macht geltend, die Beklagte entnehme - ebenso wie durch die Vereinnahmung von Ausgabeaufschlägen - mit den Kostenpauschalen dem Fondsvermögen laufend (auch) Vertriebsentgelte. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage, da die entsprechenden Regelungen im Verkaufsprospekt und im Verwaltungsreglement nicht in das zwischen ihr und der Beklagten begründete Rechtsverhältnis einbezogen worden, jedenfalls aber unwirksam seien. Sie hat die auf ihre Beteiligung entfallenden, dem Fondsvermögen mit den Kostenpauschalen in einem Zeitraum von etwa zehn Jahren bis zum 15.4.2019 entnommenen Vertriebsentgelte auf 1.250 € geschätzt.

AG und LG wiesen die Klage, mit der die Klägerin u.a. die Erstattung dieses Betrags sowie vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für ein erfolgloses Auskunftsverlangen zur genauen Höhe der anteiligen Vertriebsentgeltentnahmen begehrte, ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.

Die Gründe:
Das LG hat rechtsfehlerhaft einen Anspruch der Klägerin auf Rückerstattung der in den vereinnahmten Kostenpauschalen enthaltenen anteiligen Vertriebsentgelte verneint. Denn es hat keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, die seine nicht näher begründete Annahme tragen würden, dass Art. 12 des Verwaltungsreglements zur Kostenpauschale in der vorgelegten Fassung vom 1.2.2019 oder zumindest in einer dieser inhaltlich entsprechenden Fassung Bestandteil des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien geworden ist. Ist aber diese Regelung nicht wirksam in den Vertrag einbezogen worden, hat die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin die laufenden Kostenpauschalen unberechtigt dem Fondsvermögen entnommen. In diesem Fall stehen der Klägerin grundsätzlich vertragliche Ansprüche aus § 280 Abs. 1 BGB bzw. § 667 BGB auf - gemessen an ihrer Beteiligung am Fondsvermögen - anteilige Rückerstattung (auch) der in den Kostenpauschalen enthaltenen Vertriebsentgelte zu. Auf den Inhalt des Art. 12 des Reglements käme es dabei nicht (mehr) an.

Im Ansatz zutreffend haben die Vorinstanzen angenommen, dass bei materieller Beurteilung nach inländischem Recht die Bestimmungen im Verwaltungsreglement des luxemburgischen Anlageprospekts als Anlagebedingungen i.S.d. § 162 KAGB und somit als AGB i.S.d. §§ 305 ff BGB zu behandeln sind. Als solche müssen sie in den zwischen den Parteien bestehenden Investmentvertrag, bei dem es sich um einen durch das KAGB besonders ausgestalteten Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter gem. § 611, § 675 Abs. 1 BGB handelt, mit dem die Kapitalverwaltungsgesellschaft fremde Vermögensinteressen eigenverantwortlich wahrnimmt, wirksam einbezogen worden sein. Nach § 305 Abs. 2 BGB setzt die Einbeziehung von AGB in eine Vereinbarung mit einem Verbraucher i.S.d. § 13 BGB - abgesehen von dessen Einverständnis mit ihrer Geltung - voraus, dass ihr Verwender die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie hinweist (Nr. 1) und dem Vertragspartner die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen (Nr. 2). Insoweit gelten auch im Verhältnis zwischen der Kapitalverwaltungsgesellschaft und dem (Privat-)Anleger keine Besonderheiten.

Die Einhaltung dieser Einbeziehungsvoraussetzungen ist in der Praxis bei einem Investmentvertrag, der im Zusammenhang mit einem unmittelbaren oder durch Dritte vermittelten Ersterwerb von Fondsanteilen von der Kapitalverwaltungsgesellschaft durch einen Privatanleger geschlossen wird, ohne Weiteres möglich, zumal bereits nach den Sondervorschriften des KAGB - im vorliegenden Fall nach § 294, § 297 Abs. 1, 3 und 4 KAGB - die wesentlichen Anlageinformationen, die in der Regel den Prospekt nebst Anlagebedingungen enthalten werden, dem Erwerbsinteressenten vor Vertragsschluss in der geltenden Fassung kostenlos zur Verfügung zu stellen sind. So kann die Kapitalverwaltungsgesellschaft oder der von ihr eingeschaltete Vermittler den Anforderungen des § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB mit der Überlassung der Anlagebedingungen nachkommen, die regelmäßig zugleich als Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (invitatio ad offerendum) zum Abschluss des Investmentvertrags anzusehen ist. Der Anlageinteressent kann mit seinem in der nachfolgenden Zeichnung der Beteiligung liegenden Vertragsangebot schlüssig nach § 305 Abs. 2 letzter Halbsatz BGB sein Einverständnis mit der Geltung dieser Vertragsbedingungen erklären.

Der Investmentvertrag kommt nur bei der erstmaligen Ausgabe von Anteilen zwischen der Kapitalverwaltungsgesellschaft und dem Ersterwerber zustande. Werden bereits ausgegebene Fondsanteile im Wege eines sog. Zweiterwerbs über die Börse oder im freien Handel erworben, tritt der Letzterwerber aufgrund eines Rechtskaufs i.S.d. § 453 BGB in sämtliche Rechte und Pflichten des Ersterwerbers aus dem Investmentvertrag ein. Die Anlagebedingungen gelten daher auch gegenüber dem Letzterwerber, ohne dass es im Verhältnis zwischen ihm und der Kapitalverwaltungsgesellschaft ihrer erneuten rechtsgeschäftlichen Anerkennung bedarf. Voraussetzung ist lediglich, dass sie wirksam in den zwischen der Kapitalverwaltungsgesellschaft und dem Ersterwerber geschlossenen Investmentvertrag einbezogen worden sind. Ist der Ersterwerber ein Unternehmer i.S.d. § 14 BGB, genügt es insoweit nach § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass der Verwender erkennbar auf seine Anlagebedingungen hinweist, seinem Vertragspartner zumutbar die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft und dieser den Bedingungen nicht widerspricht.

Vorliegend ist offen, ob danach das Verwaltungsreglement in das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien einbezogen worden ist, da diesbezügliche Tatsachenfeststellungen im Berufungsurteil fehlen. So hat das LG weder zu den - streitigen - Umständen des Erwerbs der in das Depot der Klägerin bei der Augsburger Aktienbank eingebuchten Fondsanteile noch zu einer etwaigen Überlassung von die Kapitalanlage betreffenden Unterlagen Feststellungen getroffen. Dies wird es im neuen Berufungsverfahren nachzuholen haben.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | KAGB
§ 162 Anlagebedingungen
Kloyer/Kobabe in Assmann/Wallach/Zetzsche, Kapitalanlagegesetzbuch, 2. Auflage 2023
2. Aufl./Lfg. 10.2022

Kommentierung | KAGB
§ 163 Genehmigung der Anlagebedingungen
Kloyer/Kobabe in Assmann/Wallach/Zetzsche, Kapitalanlagegesetzbuch, 2. Auflage 2023
2. Aufl./Lfg. 10.2022

Rechtsprechung:
Rechenschaftspflichten bei Investmentverträgen nach dem KAGB
BGH vom 21.04.2022 - III ZR 268/20
AG 2022, 618

Auch nachzulesen in unserem umfassenden Aktionsmodul Gesellschaftsrecht:
Mit dem Aktionsmodul stehen dem umfassend tätigen Gesellschaftsrechtler fünf Module zur Verfügung. Jetzt neu mit dem Beratermodul ZIP. Jetzt zahlreiche, bewährte Formulare mit LAWLIFT bearbeiten! Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO. 4 Wochen gratis nutzen!



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.04.2023 17:01
Quelle: BGH online

zurück zur vorherigen Seite