BGH v. 8.2.2023 - 2 StR 204/22

Insiderhandel? Verurteilung von Frankfurter Investmentbankern aufgehoben

Der BGH hat die Verurteilung von zwei Frankfurter Investmentbankern wegen verbotenen Insiderhandels aufgehoben. Die Revisionen der Banker sowie der beteiligten vermögensverwaltenden Gesellschaft eines der beiden Angeklagten hatten wegen eines jeweils identischen Verfahrensfehlers Erfolg.

Der Sachverhalt:
Das LG hatte den einen Angeklagten wegen vorsätzlichen Insiderhandels gem. § 119 Abs. 3 Nr. 1 WpHG i.V.m. Art. 14 lit. a) der VO (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch (MAR) in 55 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und den weiteren Angeklagten wegen desselben Vergehens in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Es hatte ferner gegen den einen Angeklagten die Einziehung eines Betrages von 45,3 Mio. €, gegen den anderen Angeklagten i.H.v. 160.000 € als Gesamtschuldner mit der sein Vermögen verwaltenden Gesellschaft und gegen diese selbst als Einziehungsbeteiligte i.H.v. rd. 3,3 Mio. € angeordnet.

Nach den Feststellungen des LG war der eine Angeklagte als Abteilungsleiter einer Investmentgesellschaft in Frankfurt a.M. für das Management mehrerer Fonds verantwortlich. Diese bewegten täglich ein Handelsvolumen von mehr als 500 Mio. €. Er wusste, dass die für die von ihm gemanagten Fonds ausgelösten Orders Marktrelevanz besaßen und dass sich bei einem Kauf bzw. Verkauf einer Aktie diese im Wert um durchschnittlich 0,6 bis 0,8 % veränderte. Diesen Effekt machte er sich persönlich durch den Erwerb privater "Call" bzw. "Bull"-Derivate im Wege des sog. "Front-Runnings" zunutze. In 55 Einzelfällen erwarb er im Wege des verbotenen Insiderhandels insgesamt mehrere Millionen börsengelistete Derivate als Hebelprodukte, die die Wertentwicklung einer Aktie abbildeten und die er zeitnah nach dem entsprechenden Aktiengeschäft der Investmentgesellschaft wiederverkaufte. Durch die Verkäufe erlöste er rd. 45,3 Mio. €. Sein Gewinn lag bei rd. 8,1 Mio. €.

Der weitere Angeklagte erwarb, nach entsprechender Information durch den mit ihm befreundeten Mitangeklagten, in 19 Fällen in gleicher Art und Weise Derivate für die Einziehungsbeteiligte. Durch deren zeitnahen Verkauf nach dem Aktiengeschäft des Investmenthauses erlöste diese rd. 3,3 Mio. €. Ihr Gewinn lag bei rd. 330.000 €. Hiervon leitete der Angeklagte 160.000 € als Gesellschafterdarlehen auf sein Privatkonto weiter.

Die Revisionen der Beschwerdeführer hatten vor dem BGH Erfolg.

Die Gründe:
Die Strafkammer hat ihre Beweiswürdigung in allen Fällen auf Urkunden gestützt, ohne diese ordnungsgemäß zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen, da sie umfangreichen Listen, die die getätigten Aktiengeschäfte der Investmentgesellschaft bzw. den privaten Derivathandel der Angeklagten abbildeten, weder in der Hauptverhandlung förmlich verlesen noch im Wege des nach der StPO möglichen Selbstleseverfahrens in diese eigeführt hat. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.04.2023 10:07
Quelle: BGH PM Nr. 65 vom 11.4.2023

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