Aktuell in der AG

Die Änderung des Spruchverfahrensgesetzes 2023 (Drescher, AG 2023, 337)

Das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie führte im Spruchverfahren neben Anpassungen wegen der grenzüberschreitenden Umwandlungen zu weiteren Veränderungen, etwa mit der Gewährung weiterer Aktien statt einer baren Zuzahlung und beim Antrag der Anteilsinhaber eines übernehmenden Rechtsträgers zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses. Neu wird insbesondere die sogenannte mehrheitskonsensuale Schätzung durch das Gericht geregelt.

I. Einleitung
II. Anwendungsbereich des Spruchverfahrensgesetzes

1. Grenzüberschreitende Umwandlung
2. Aktien statt Zuzahlung
3. Anträge von Anteilsinhabern des übernehmenden Rechtsträgers
III. Zuständigkeit
1. Örtliche Zuständigkeit
2. Internationale Zuständigkeit
3. Funktionelle Zuständigkeit
4. Zuständigkeitskonzentration
IV. Anwaltszwang
V. Antrag

1. Antragsberechtigung
2. Antragsschrift
a) Antragsfrist
b) Antragsform
c) Einlegung bei unzuständigem Gericht
3. Antragsgegner
VI. Gemeinsamer Vertreter
1. Persönliche Qualifikation
2. Zwei besondere Vertreter
3. Internationale Zusammenarbeit
VII. Gerichtliche Entscheidung
1. Beschlussausspruch in der Hauptsache
a) Bare Zuzahlung und Barabfindung
b) Gewährung zusätzlicher Aktien
2. Kosten und Streitwert
VIII. Vergleich
1. Schriftsatzvergleich
2. Mehrheitskonsensuale Schätzung
3. Wirkung eines Vergleichs
IX. Beschwerde
X. Betragsverfahren
XI. Inkrafttreten


I. Einleitung

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Mit der Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie durch das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie und zur Änderung anderer Gesetze – im Folgenden: UmRUG – wurden für die grenzüberschreitende Verschmelzung, die grenzüberschreitende Spaltung und den grenzüberschreitenden Formwechsel neue Vorschriften eingeführt, nach denen das Umtauschverhältnis oder beim Ausscheiden der Gegenwert für die Mitgliedschaft im übertragenden Rechtsträger überprüft werden muss, weil vollzugssuspendierende Klagen insoweit ausgeschlossen worden sind. Im Umwandlungsgesetz wurde aus diesem Anlass für die Anteilseigener des übernehmenden Rechtsträgers das Recht eingeführt, ihrerseits gegen ein als zu günstig erachtetes Umtauschverhältnis einen Antrag im Spruchverfahren zu stellen, und für den übernehmenden Rechtsträger die Möglichkeit geschaffen, bei einer Veränderung des Umtauschverhältnisses aufgrund des Spruchverfahrens statt einer baren Zuzahlung weitere Anteile zu übertragen. Diese materiellrechtlichen Gesetzesänderungen im Umwandlungsgesetz zogen zwangsläufig Anpassungen des Spruchverfahrensgesetzes nach sich. Der Gesetzgeber hat die Gelegenheit dazu benutzt, das Spruchverfahren auch im Übrigen zu reformieren. Ziel dieser Änderungen ist es, das Spruchverfahren im Interesse aller Verfahrensbeteiligten zu beschleunigen und dabei die Rechte der Antragsteller zu wahren. Die Änderungen im Spruchverfahren werden im Folgenden dargestellt.

II. Anwendungsbereich des Spruchverfahrensgesetzes

1. Grenzüberschreitende Umwandlung

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In § 1 Nr. 4 SpruchG, wo der Anwendungsbereich des Spruchverfahrensgesetzes für Umwandlungen nach dem Umwandlungsgesetz bestimmt wird, ist neu die Vorschrift für eine Abfindung bei grenzüberschreitender (Hinaus-)Verschmelzung auf eine übernehmende oder neue Gesellschaft, die nicht dem deutschen Recht unterliegt (§ 313 UmwG), aufgenommen. § 313 Abs. 1 Satz 5 UmwG verweist u.a. auf § 34 UmwG, wo die gerichtliche Nachprüfung der Abfindung im Spruchverfahren angeordnet wird. Da § 34 UmwG bereits in § 1 Nr. 4 SpruchG genannt ist, dient die Aufnahme von § 313 UmwG in die Liste der Vorschriften, auf die das Spruchverfahrensgesetz Anwendung findet, nur der Klarstellung. Ähnliches gilt für die Abfindung bei grenzüberschreitender Spaltung. Hier ist § 327 UmwG, wonach für die übertragende Gesellschaft außer bei Ausgliederung § 313 UmwG entsprechend gilt, in § 1 Nr. 4 SpruchG aufgenommen, obwohl schon über die Verweisung auf § 313 Abs. 1 Satz 5 UmwG die Grundnorm für die Überprüfung der Abfindung in § 34 UmwG in Bezug genommen ist. Zur Abfindung beim grenzüberschreitenden Formwechsel ist § 340 UmwG in § 1 Nr. 4 SpruchG aufgenommen. § 340 Abs. 1 Satz 4 UmwG verweist auf § 212 UmwG zur Überprüfung der Barabfindung, der seinerseits bereits in § 1 Nr. 4 SpruchG aufgeführt ist.

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Der Anspruch auf Ausgleich durch eine angemessene bare Zuzahlung zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses folgt bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung durch den Verweis in § 305 Abs. 2 UmwG auf die Vorschriften des Ersten Teils des Zweiten Buches für die Verschmelzung und damit § 15 UmwG, der bisher schon in § 1 Abs. 4 SpruchG aufgeführt war. Die Aufnahme von § 305 Abs. 2 UmwG in § 1 Abs. 4 SpruchG dient damit ebenfalls nur der Klarstellung. Bei der grenzüberschreitenden Spaltung verweist der in § 1 Nr. 4 SpruchG neu aufgenommene § 320 Abs. 2 UmwG auf die Vorschriften des Ersten Teils des Dritten Buchs des Umwandlungsgesetzes, wo § 125 Satz 1 UmwG wieder auf die Vorschriften des Ersten Teils des Zweiten Buchs und damit § 15 UmwG verweist. Vorsorglich wurde zusätzlich § 125 UmwG zur Klarstellung auch in § 1 Nr. 4 SpruchG aufgenommen. Konsequenterweise wurden die aufgehobenen § 122h und § 122i UmwG, die für die Verbesserung des Umtauschverhältnisses und die Abfindung bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung wie die neuen Vorschriften bisher auf § 15 UmwG bzw. § 34 UmwG verwiesen, in § 1 Nr. 4 SpruchG gestrichen. Für grenzüberschreitende Verschmelzungen, die noch nach den alten §§ 122a ff. UmwG durchgeführt wurden, bleibt es schon wegen der Bezugnahme auf §§ 15, 34 UmwG in § 1 Nr. 4 SpruchG bei der seitherigen Überprüfung nach dem Spruchverfahrensgesetz.

2. Aktien statt Zuzahlung
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Neu ist, dass bei der Verschmelzung auf eine Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaften auf Aktien oder SE sowie bei der Spaltung zur Übernahme durch oder Neugründung von Aktiengesellschaften (§ 125 UmwG) vereinbart werden kann, anstelle einer baren Zuzahlung nach § 15 UmwG zusätzliche Aktien der übernehmenden Gesellschaft zu gewähren. In § 1 Nr. 4 SpruchG wurde die Anwendung des Spruchverfahrensgesetz daher auf die Bestimmung der zusätzlich zu gewährenden Aktien erweitert. Wiederum zur Klarstellung wurde mit § 72a UmwG die Vorschrift in § 1 Nr. 4 SpruchG aufgenommen, die die Gewährung zusätzlicher Aktien regelt, allerdings nicht selbst die Überprüfung durch im Spruchverfahren anordnet, sondern dazu wieder auf § 15 UmwG verweist. § 6 Abs. 5 SE‑AG ermöglicht neu ebenfalls wie in § 72a UmwG anstelle einer baren Zuzahlung zusätzliche Aktien zu gewähren, so dass die Erweiterung des Anwendungsbereichs in § 1 Nr. 5 SpruchG wie in Nr. 4 nachvollzogen werden musste. Mit § 10a SpruchG wurde eine neue Vorschrift geschaffen, die genauer regelt, was das Gericht bei der Gewährung zusätzlicher Aktien in seiner Endentscheidung alles zu bestimmen hat.

3. Anträge von Anteilsinhabern des übernehmenden Rechtsträgers
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Die bedeutendste Ausweitung des Anwendungsbereichs des Spruchverfahrens ergibt sich nicht unmittelbar aus § 1 SpruchG, sondern nur aus einer unscheinbaren Änderung in § 14 Abs. 2 UmwG. Während bisher eine Klage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses eines übertragenden Rechtsträgers nicht darauf gestützt werden konnte, dass das Umtauschverhältnis der Anteile zu niedrig bemessen ist oder dass...
 



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 09.05.2023 11:41
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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