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Schranken des Verlusts von Rechten aus zugerechneten Aktien nach § 20 Abs. 7 AktG, § 44 Abs. 1 WpHG, § 59 WpÜG (Habersack, AG 2018, 133)

Nach § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG, § 44 Abs. 1 Satz 1 und 3 WpHG, § 59 Satz 1 WpÜG erstreckt sich der Rechtsverlust auf Aktien, die dem Meldepflichtigen nicht gehören, ihm aber zugerechnet werden. Der Beitrag fragt nach den Schranken eines solchen Rechtsverlusts, und zwar zunächst für den "verlängerten" Rechtsverlust gem. § 44 Abs. 1 Satz 3 WpHG, sodann für den einfachen Rechtsverlust nach § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG, § 44 Abs. 1 Satz 1 WpHG und § 59 Satz 1 WpÜG.

I. Die einschlägigen Vorschriften im Überblick
1. Erstreckung des Rechtsverlusts auf zugerechnete Aktien
2. Erstreckung auf sämtliche Zurechnungstatbestände der § 34 WpHG, § 30 WpÜG
3. Spezifika des § 44 WpHG
II. Fragestellung
III. Unionsrechtliche Vorgaben
IV. Verlängerter Rechtsverlust und zugerechnete  Aktien

1. Entstehungsgeschichte und Ratio des § 44 Abs. 1 Satz 3 WpHG
2. Unterschiede zwischen einfachem und verlängertem Rechtsverlust nach § 44 Abs. 1 WpHG
a) Spezifika des verlängerten Rechtsverlust
b) Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als gesetzgeberisches Leitmotiv
3. Folgerungen
V. Einfacher Rechtsverlust und zugerechnete Aktien
1. Fehlen eines Zurechnungsgrundes
2. Ineffizienz von Erfüllungs- und Ersatzansprüchen
3. Folgerungen
VII. Fazit

I. Die einschlägigen Vorschriften im Überblick
1. Erstreckung des Rechtsverlusts auf zugerechnete Aktien
Der Verlust von Rechten aus Aktien, die dem Meldepflichtigen nicht gehören, ihm aber zugerechnet werden, bildet seit jeher ein vom Gesetzgeber geschätztes Instrument zur Sanktionierung von Informationspflichtverletzungen. Den Ausgangspunkt bilden §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4 AktG, die den Rechtsverlust bei Nichterfüllung der Mitteilungspflichten nach § 20 Abs. 1, 4, § 21 Abs. 1, 2 AktG anordnen. § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG  erstreckt den Rechtsverlust schon seit Inkrafttreten des AktG 1965  ausdrücklich auf Aktien, die einem vom Meldepflichtigen abhängigen Unternehmen oder einem Dritten gehören, der für Rechnung des Meldepflichtigen oder eines von diesem abhängigen Unternehmen handelt.  § 44 Abs. 1 WpHG lehnt sich hieran an und sanktioniert die Verletzung der Mitteilungspflichten nach § 33 Abs. 1 oder 2 WpHG mit dem Verlust der Rechte aus Aktien, die einem Meldepflichtigen gehören oder aus denen ihm Stimmrechte nach § 34 WpHG zugerechnet werden. Sowohl §§ 20 Abs. 7 Satz 2, 21 Abs. 4 Satz 2 AktG als auch § 44 Abs. 1 Satz 2 WpHG nehmen vom Rechtsverlust die Ansprüche aus §§ 58 Abs. 4, 271 AktG aus, wenn die Mitteilung nicht vorsätzlich unterlassen wurde und nachgeholt worden ist.  Dem in § 44 Abs. 1 Satz 1, 2 WpHG geregelten Rechtsverlust vergleichbar ist schließlich der Rechtsverlust nach § 59 WpÜG, der die Nichterfüllung der Pflichten nach § 35 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WpÜG sanktioniert; er umfasst sämtliche Aktien, die dem Bieter, mit ihm gemeinsam handelnden Personen i.S.d. § 2 Abs. 5 WpÜG oder deren Tochterunternehmen i.S.d. § 2 Abs. 6 WpÜG gehören oder aus denen ihm, mit ihm gemeinsam handelnden Personen oder deren Tochterunternehmen Stimmrechte gem. § 30 Abs. 1 oder 2 WpÜG zugerechnet werden.

2. Erstreckung auf sämtliche Zurechnungstatbestände der § 34 WpHG, § 30 WpÜG
Umfasst der Rechtsverlust somit durchweg auch Aktien, die nicht dem Meldepflichtigen, sondern einem anderen gehören, so bleibt § 20 Abs. 7 Satz 1 AktG hinsichtlich des Kreises der betroffenen Aktien hinter den kapitalmarktrechtlichen Tatbeständen des Rechtsverlustes zurück. Für diese nämlich hat das Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie vom 25.11.2015  den Rechtsverlust kraft Zurechnung auf sämtliche Zurechnungstatbestände des § 34 WpHG und des § 30 WpÜG erstreckt, nachdem er zuvor nur für die Fälle des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 WpHG a.F. (= § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 WpHG n.F.), § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG (die wiederum den Fällen eines Rechtsverlust kraft Zurechnung nach §§ 20 Abs. 7 Satz 1, 21 Abs. 4 Satz 1 AktG entsprachen) anerkannt war.  In der Folge kann nicht nur eine Tochtergesellschaft  oder ein Treuhänder die Rechte aus von ihr bzw. ihm gehaltenen Aktien dadurch verlieren, dass die Muttergesellschaft ihrer Meldepflicht nicht nachkommt;  seit Inkrafttreten der Neuregelung droht ein Rechtsverlust vielmehr insbesondere auch in den Fällen des acting in concert (§ 34 Abs. 2 WpHG) und damit zu Lasten desjenigen, der sein Verhalten in Bezug auf den Emittenten mit einem Dritten abstimmt und selbst seinen Meldepflichten nachkommt.

3. Spezifika des § 44 WpHG
Der Rechtsverlust nach § 44 WpHG weist im Übrigen einige Besonderheiten gegenüber §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4 AktG, § 59 WpÜG auf. Während nämlich der Rechtsverlust nach §§ 20 Abs. 7, 21 Abs. 4 AktG, § 59 WpÜG nur den Zeitraum umfasst, in dem die Transparenz- und Veröffentlichungspflichten nicht erfüllt werden, verlängert § 44 Abs. 1 Satz 3 WpHG den Rechtsverlust, sofern ...

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.03.2018 15:50
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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