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Zur gesellschaftsrechtlichen Beratung durch die Konzernrechtsabteilung - Aktienkonzernrecht, Berufsrecht und "reliance defense" (Redeke, AG 2018, 381)

Dass die Konzernrechtsabteilung der Mutter nicht nur deren gesellschaftsrechtliche Beratung übernimmt, sondern auch die Beratung verbundener Unternehmen, entspricht gängiger Praxis. Gleichwohl wird dieses Vorgehen teils deutlich kritisiert, u.a. aus aktienkonzernrechtlichen Gründen. Daneben wird die fehlende Unabhängigkeit der "Konzernjuristen" bemängelt, mit der Folge, dass Geschäftsleitern von Tochtergesellschaften ein Vertrauen auf Expertenrat nach Maßgabe der ISION-Rechtsprechung des BGH nicht möglich sei. Diese Kritik bietet die Grundlage des Beitrags, der die gesellschaftsrechtliche Beratung durch die Konzernrechtsabteilung in dreierlei Richtung ausleuchtet. Als Einstieg dient eine aktienkonzernrechtliche Bewertung. Im Anschluss steht das anwaltliche Berufsrecht im Mittelpunkt, das spezifische Vorgaben für die "Vertikalberatung" enthält, die in der bisherigen Diskussion mitunter vernachlässigt wurden. Hierauf aufbauend geht es schließlich um das Vertrauen auf Expertenrat, insbesondere um die These, die "reliance defense" sei bei einer Beratung durch einen "Konzernjuristen" nicht eröffnet.

I. Einleitung
II. Die Konzernrechtsabteilung
III. Kritik
IV. Aktienkonzernrecht
1. Ausgangspunkt
2. Faktischer Konzern
3. Vertragskonzern
V. Anwaltliches Berufsrecht
1. Ausgangspunkt
2. Unabhängigkeit
a) Fehlende Unabhängigkeit eines Syndikusrechtsanwalts der Konzernmutter?
b) Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen
aa) Anwendbarkeit des Prävarikationsverbots auf Syndikusrechtsanwälte?
(1) Syndikusrechtsanwalt eines Einzelunternehmens
(2) "Konzern-Syndikusrechtsanwälte"
bb) Umgang mit dem Verbot in der Unternehmenspraxis
(1) Inhalt und Grenzen des Verbots
(2) Interessenwiderstreit im Konzern
(3) Handlungsoptionen
3. Ergebnis
VI. Vertrauen auf Expertenrat ("reliance defense")
VII. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

I. Einleitung
Der Beitrag „Zur gesellschaftsrechtlichen Gremienberatung durch die Rechtsabteilung“ (Redeke, AG 2017, 289 ff.) behandelte die Implikationen der internen Rechtsberatung im Einzelunternehmen. Im Gegensatz dazu steht nunmehr der Konzernverbund im Mittelpunkt, insbesondere die Rechtsberatung der zentralen Konzernrechtsabteilung („KRA“) für verbundene Unternehmen (nachfolgend auch „Vertikalberatung“). Dabei wird einleitend die Aufgabe der KRA skizziert und erläutert, warum im Rechtsbereich im Konzern teils starke Zentralisierungstendenzen bestehen (unter II.). Die deutliche Kritik an der Zentralisierung (unter III.) bietet zugleich die Grundlage dafür, die Vertikalberatung unter verschiedenen rechtlichen Aspekten zu würdigen, sub specie des Aktienkonzernrechts (unter IV.), des anwaltlichen Berufsrechts (unter V.) sowie des Vertrauens auf Expertenrat (unter VI.). Eine Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse rundet den Beitrag ab (unter VII.).

II. Die Konzernrechtsabteilung
In der Unternehmenspraxis zeigt sich insbesondere im Inland eine teils starke Zentralisierung der Rechtsfunktion auf Ebene der Konzernobergesellschaft.  Dies belegt zunächst eine Entscheidung des LG Berlin, nach der die „meisten größeren Konzerne über zentrale Rechtsabteilungen [verfügen], die organisatorisch [...] bei der Muttergesellschaft angesiedelt sind, sich jedoch typischerweise auch um die rechtlichen Belange einer oder mehrerer Tochtergesellschaften umfassend kümmern“.  Den Befund stützt außerdem der Rechtsabteilungs-Report, der eine klare Tendenz zu einer zentralen Konzernrechtsabteilung feststellt, über die nahezu alle der 150 größten deutschen Unternehmen verfügen.  Dass im Inland durchschnittlich etwa drei Viertel der Syndizi in der zentralen KRA arbeiten und nur etwa ein Viertel in Tochtergesellschaften oder Niederlassungen unterstreicht die starke Zentralisierung.  Als Gründe hierfür lassen sich u.a. anführen:

  • Synergien, insbesondere durch einen optimierten Ressourcen- und Technologieeinsatz  sowie die Nutzung einheitlicher Konzernstandards.  Außerdem können durch die Zentralisierung positive Skaleneffekte erzielt werden.  Empirische Erhebungen gehen davon aus, dass die zentrale Konzernrechtsabteilung um 33 % kostengünstiger arbeitet als dezentrale Lösungen.
  • Hinzu kommen Spezialisierungen in zweierlei Hinsicht: Zum einen erfolgt die Spezialisierung häufig durch die Bildung sog. „Kompetenzzentren“ in denen die rechtliche Expertise gebündelt und kontinuierlich ausgebaut wird.  Zum anderen ermöglicht die Zentralisierung Spezialisierungen, die sich auf Ebene einer Einzelgesellschaft nicht „rechnen“, wohl aber auf Ebene der Obergesellschaft, die eine Vielzahl verbundener Unternehmen betreut.
  • „Lessons learned“ aus dem Parmalat-Skandal, gerade nach der deutlichen Kritik des staatlich bestellten Sachverständigen am Fehlen einer zentralen Rechtsabteilung auf Ebene der ...

 

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.06.2018 15:10
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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