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Konzerninterne Related Party Transactions nach der Aktionärsrechte-Richtlinie - Umsetzungsbedarf für das neue Regelungskonzept im Lichte des deutschen Konzernrechts und die Rechtsfolgen bei Missbrauch (Seidel, AG 2018, 423)

Die am 17.5.2017 verabschiedete Änderungsrichtlinie zur Aktionärsrechte-Richtlinie enthält erstmals eine umfassende Regelung der Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen oder Personen (Related Party Transactions). Nun ist der mitgliedstaatliche Gesetzgeber in der Pflicht, die Vorgaben bis zum 10.6.2019 in nationales Recht umzusetzen. Mittlerweile wurde durch das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) eine sechsköpfige Expertenkommission unter der Leitung von MR Prof. Dr. Ulrich Seibert, der sog. „Berliner Kreis für Gesellschaftsrecht“, eingesetzt, um Vorschläge zur Umsetzung der modifizierten Aktionärsrechte-Richtlinie in deutsches Recht zu unterbreiten. Dabei steht diese Kommission vor der Herausforderung, die äußerst unbestimmten Regelungen, die viel Gestaltungsspielraum für die Mitgliedstaaten enthalten, in das bestehende Aktienrecht zu integrieren. Dieser Beitrag befasst sich mit der neu geschaffenen Regelung zum Umgang mit Related Party Transactions im Konzern und beleuchtet dabei insbesondere die Fragen des Umsetzungsbedarfs einer solchen Regelung in Deutschland vor dem Hintergrund des nationalen Konzernrechts und dessen Minderheitenschutzkonzepts sowie nach den Rechtsfolgen bei Pflichtverstößen.

I. Einleitung
1. Problemstellung
2. Die Maßnahmen des Art. 9c AktR-RL II gegen missbräuchliche RPT im Überblick
II. Umsetzungsbedarf für die Maßnahmen des Art. 9c Abs. 2 bis 4 AktR-RL II im Lichte des deutschen Konzernrechts
1. Umsetzungsbedarf im Vertragskonzern
2. Umsetzungsbedarf im faktischen Konzern
a) Kritische Betrachtung des Rechts des faktischen Konzerns de lege lata
b) Ergänzungspotential der AktR-RL II im Hinblick auf die §§ 311 ff. AktG
III. Rechtsfolgen und Sanktionen bei missbräuchlichen RPT
1. Nichtigkeit
2. Schadensersatz
IV. Fazit

I. Einleitung
1. Problemstellung
Durch Art. 9c der Richtlinie (EU) 2017/828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.5.2017 zur Änderung der Richtlinie 2007/36/EG im Hinblick auf die Förderung der langfristigen Mitwirkung der Aktionäre (AktR-RL II)  wurde jüngst eine Regelung geschaffen, die die Problematik der Related Party Transactions (RPT) ganzheitlich regeln will. Bei diesen Geschäften zwischen dem Unternehmen und nahestehenden Personen oder Unternehmen – mithin seinen Geschäftsführern, Mitgliedern der Unternehmensleitung, beherrschenden Unternehmen oder Aktionären – besteht eine Missbrauchsgefahr zu Lasten externer Dritter. So besteht die Gefahr, dass Gesellschaftsvermögen zu Lasten dieser externen Dritten, namentlich Minderheitsaktionäre und Gläubiger, auf die beteiligte nahestehende Partei verlagert wird und somit entweder der Gegenwert der Aktien oder aber das Haftungsvermögen sinkt – sog. tunneling. Die Maßnahmen des Art. 9c AktR-RL II sind somit als Maßnahmen zum Schutz der Gesellschafts- und Aktionärsinteressen zu betrachten, wobei in Bezug auf die konkrete Gefahr zwischen den beiden Ausprägungen der RPT zu differenzieren ist:

Im Hinblick auf Geschäfte mit nahestehenden Personen, hier insb. Organmitglieder stellt sich zuvorderst das Prinzipal-Agenten-Problem: Beschrieben wird mit diesem Modell in diesem Fall der Interessenkonflikt zwischen den Anteilseignern (Prinzipal) auf der einen Seite und dem Vorstand sowie dem Aufsichtsrat (Agent) auf der anderen Seite, wobei die Gefahr besteht, dass die Agenten primär durch ein privates Nutzensoptimierungsinteresse geleitet werden und dadurch ihre Leitungsmacht nur unzureichend im Unternehmensinteresse ausüben.  Dabei ist der Prinzipal jedoch auf seinen Agenten angewiesen – im Bereich der juristischen Personen umso mehr, als dass sie selbst nicht originär handlungsfähig sind, sondern hierzu ihrer Organe bedürfen und somit die Gefahr besteht, dass die Befugnisse des Agenten nicht interessengerecht genutzt werden.

Im Gegensatz dazu besteht bei Geschäften mit nahestehenden Unternehmen – hier meist mit der Konzernmutter – die Gefahr, dass die Transaktionen zu marktunüblichen Konditionen durchgeführt werden und auf diese Weise Vermögenswerte zu Lasten von Minderheitsgesellschaftern sowie Gläubigern von dem abhängigen auf das beherrschende Unternehmen verlagert werden.

Teilweise wird sogar die Vermutung aufgestellt, dass derartige Transaktionen grundsätzlich nicht dem Vergleich mit Drittanbietern standhalten  und nach Dafürhalten der OECD sind RPT eines der größten Probleme der Unternehmensführung.

2. Die Maßnahmen des Art. 9c AktR-RL II gegen missbräuchliche RPT im Überblick
Der europäische Normgeber hat auf beide Ausprägungen der Related Party Transactions mit mehreren Schutzmaßnahmen reagiert, die an dem transaktionszentrierten Regelungsansatz der britischen Listing Rules orientiert sind, ohne jedoch ...

 

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.06.2018 09:37
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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