BGH v. 7.5.2019 - II ZR 278/16

Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Aktionärs: Erhebung der Unterlassungsklage ohne unangemessene Verzögerung

Eine Unterlassungsklage, mit der ein Aktionär einen Eingriff in seine Mitgliedschaftsrechte durch pflichtwidriges Organhandeln abwehren will, ist ohne unangemessene Verzögerung zu erheben.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft. Mit Beschluss vom 6.5.2013 ermächtigte die Hauptversammlung den Vorstand der Beklagten, mit Zustimmung des Aufsichtsrats Wandelschuldverschreibungen auszugeben, die den Aktionären zum Bezug anzubieten waren. In dem Beschluss war u.a. geregelt, dass der Wandlungspreis aufgrund einer Verwässerungsschutzklausel nach näherer Maßgabe der Anleihe- bzw. Genussscheinbedingungen zum Zwecke der Wahrung der Rechte der Inhaber bzw. Gläubiger der Schuldverschreibungen bzw. der Genussrechte ermäßigt werden kann, wenn die Gesellschaft während der Options- bzw. Wandlungsfrist unter Einräumung eines ausschließlichen Bezugsrechts an ihre Aktionäre das Grundkapital erhöht oder eigene Aktien veräußert.

Der Vorstand der Beklagten beschloss mit Zustimmung des Aufsichtsrats am 3.12.2013 die Ausgabe von 25 zinslosen Teilwandelschuldverschreibungen im Nennbetrag von jeweils 107.000 € (100.000 € zzgl. 7.000 € Disagio), die er den Aktionären gegen Zahlung von 100.000 € zur Zeichnung anbot. Die am 4.12.2013 auf der Homepage der Beklagten und im Bundesanzeiger veröffentlichten Anleihebedingungen sahen vor, dass die Anleihegläubiger im Fall der Wandlung 107.000 Stückaktien zu einem Preis von 5,87 € je Aktie erwerben konnten, der durch Wandlungszuzahlung (Wandlungspreis abzgl. 1,00 € je Aktie) und Begebung der Wandelschuldverschreibungen zu leisten war. Der Verwässerungsschutz der Gläubiger war dahin geregelt, dass "im Fall einer oder mehrerer Barkapitalerhöhungen (mit oder ohne Bezugsrecht), in denen insgesamt mehr als 267.500 Aktien ausgegeben werden, der Wandlungspreis automatisch auf den Ausgabepreis einer solchen Barkapitalerhöhung gemäß den näheren Bestimmungen der Anleihebedingungen herabgesetzt (wird), falls dieser Ausgabepreis niedriger ist als der Wandlungspreis".

Anfang Dezember 2013 betrug das Grundkapital der Beklagten 13.082.892 €, wobei 13.082.892 Aktien ausgegeben waren. Der Kläger ist Aktionär der Beklagten. Er hielt zu diesem Zeitpunkt 749.283 Stückaktien, was einer Beteiligungsquote von 5,727 % entsprach. Im Dezember 2013 veröffentlichte die Beklagte die vollständige Platzierung der Wandelschuldverschreibungen. Im Oktober 2014 nahm die Beklagte eine weitere Kapitalerhöhung durch Ausgabe von 1.351.089 neuen Aktien zum Preis von 3,08 € pro Aktie vor, der auf dem XETRA-Schlusskurs des letzten Handelstages an der Frankfurter Wertpapierbörse vor der Beschlussfassung über die Kapitalerhöhung beruhte. Die Aktienausgabe erfolgte unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre, was die Beklagte im Oktober 2014 durch eine Ad-hoc-Mitteilung bekannt gab. Im November 2014 veröffentlichte die Beklagte auf ihrer Homepage, dass sich aufgrund der Ausgabe neuer Aktien der Wandlungspreis auf 3,08 € reduziere (sog. Repricing). Zum Ablauf des Jahres 2016 übte die Beklagte gegenüber den Anleihegläubigern das ihr in den Anleihebedingungen vorbehaltende Endfälligkeitswandlungsrecht aus.

Der Kläger beantragte mit seiner Ende März 2015 eingereichten Klage, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, aufgrund von Wandlungserklärungen der Anleihegläubiger neue Aktien zu einem Preis von weniger als 5,87 € je Aktie zu begeben. Zudem begehrt er von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. rd. 265.000 € nebst Zinsen und die Feststellung, dass diese ihm für den weiteren Schaden ersatzpflichtig ist, der ihm aus Wandlungserklärungen entstehen werde.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das Unterlassungsbegehren war bei Eintritt des erledigenden Ereignisses unbegründet, weil der Kläger mit der Klageerhebung zu lange zugewartet hat.

Für die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsbeschlusses zur Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss hat der BGH bereits geklärt, dass diese ohne unangemessene Verzögerung und mit der dem Aktionär zumutbaren Beschleunigung zu erheben ist. Der für die Beurteilung der Rechtzeitigkeit zu berücksichtigende Zeitraum beginnt, wenn der Aktionär den Beschluss des Vorstands oder Aufsichtsrats sowie die eine Nichtigkeit aus seiner Sicht nahelegenden Umstände kennt oder kennen muss. Ferner ist dem Aktionär eine Klageerhebung nicht zumutbar, solange er nicht ausreichend Zeit hatte, schwierige tatsächliche Fragen zu klären oder klären zu lassen, auf die es für die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ankommt. Diese Grundsätze gelten auch für eine Unterlassungsklage, mit der ein Aktionär einen Eingriff in seine Mitgliedschaftsrechte durch pflichtwidriges Organhandeln abwehren will.

Der BGH hat mit diesen Grundsätzen seine Rechtsprechung zu Aktionärsklagen konkretisiert, mit denen die Rechtswidrigkeit und daraus folgende Nichtigkeit von Kapitalerhöhungsbeschlüssen mit Bezugsrechtsausschluss des Vorstands und Aufsichtsrats gegen die Aktiengesellschaft geltend gemacht werden kann. Diese Rechtsprechung betrifft einen Ausschnitt des verbandsrechtlichen Anspruchs des Aktionärs darauf, dass die Gesellschaft seine Mitgliedsrechte achtet und alles unterlässt, was sie über das durch Gesetz und Satzung gedeckte Maß hinaus beeinträchtigt. Bzgl. dieses Anspruchs hat der BGH bereits ausgeführt, dass er auch als auf Unterlassung oder Wiederherstellung gerichteter Leistungsanspruch innerhalb einer Frist klageweise geltend zu machen ist, die zu der Monatsfrist des § 246 AktG nicht außer Verhältnis steht. Auch das Schrifttum geht davon aus, dass eine Unterlassungsklage, mit der ein Aktionär einen Eingriff in seine Mitgliedschaftsrechte durch pflichtwidriges Organhandeln abwehren will, jedenfalls ohne unangemessene Verzögerung zu erheben ist. Letztlich ergibt sich aus der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft, dass auch die Unterlassungsklage ohne unangemessene Verzögerung erhoben werden muss.

Nach diesen Grundsätzen hat das OLG zutreffend festgestellt, dass der Kläger den Unterlassungsanspruch nicht ohne unangemessene Verzögerung gerichtlich geltend gemacht hat, weil er seine Klage erst im März 2015 eingereicht hat. Der Beschluss des Vorstands vom 3.12.2013 wurde dem Kläger noch im Dezember 2013 bekannt. Damit musste er auch die eine Nichtigkeit des Vorstandsbeschlusses aus seiner Sicht nahelegenden Umstände kennen. Bereits aus den Anleihebedingungen vom 3.12.2013 ergab sich neben der Stückelung der Wandelschuldverschreibungen, dass der Verwässerungsschutz für die Anleihegläubiger im Fall einer oder mehrerer Barkapitalerhöhungen (mit oder ohne Bezugsrecht) greifen sollte. Daraus war erkennbar, dass entgegen der Ermächtigung durch die Hauptversammlung vom Verwässerungsschutz der Anleihegläubiger auch der Fall erfasst war, dass die Beklagte nicht unter Einräumung eines ausschließlichen Bezugsrechts an ihre Aktionäre ihr Grundkapital erhöht. Damit hatte er auch Gelegenheit, die Fragen klären zu lassen, auf die es für die Beurteilung der Erfolgsaussicht einer Klage ankommt.

Eine Klageerhebung war dem Kläger danach jedenfalls im November 2014 zumutbar. Zwar hat der Kläger die Erhebung der Klage noch nicht schon unangemessen verzögert, wenn er nicht alsbald nach dem Beschluss des Vorstands vom 3.12.2013 eine Klage einreichte. Im Hinblick darauf, dass der Beschluss des Vorstands vom 3.12.2013 im Ergebnis erst dann zu einer Abweichung vom Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung und einer Beeinträchtigung seiner Aktionärsrechte führte, wenn das Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre erhöht wurde, konnte er zunächst noch darauf bauen, dass der Vorstand den fehlerhaften Beschluss vom 3.12.2013 insoweit nicht umsetzte und das Kapital allenfalls unter Bezugsrecht der Aktionäre erhöhen würde. Er musste die Klage dann aber unverzüglich erheben, nachdem die Beklagte das Kapital unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre erhöhte und er davon Kenntnis erlangen konnte. Mitte Oktober 2014 hat die Beklagte durch Ad-hoc-Mitteilung bekannt gegeben, dass sie neue Aktien unter Bezugsrechtsausschluss zu einem Preis von 3,08 € ausgebe. Die Beklagte hat die daraufhin erfolgte Anpassung des Wandlungspreises zudem im November 2014 auf ihrer Homepage veröffentlicht. Damit musste dem Kläger die aus seiner Sicht drohende Verwässerung seiner Beteiligung bekannt sein.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.07.2019 10:21
Quelle: BGH online

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